Donnerstag 14.05.15, 18:30 Uhr
Wertschätzung in Zahlen:

2630 : 4057 Euro



Am gestrigen dritten Streiktag in den Kitas und Sozialeinrichtungen in Bochum und Herne hatte ver.di die Streikenden zu einer Kundgebung vor dem Rathaus und einer anschließenden Demonstration durch die Innenstadt aufgerufen. Die Stimmung war ziemlich kämpferisch. Die Wut der Beschäftigten über die verantwortlichen ArbeitgeberInnen war zu spüren. Die Streikenden fordern, dass die PolitikerInnen der Arbeit im Erziehungs- und Sozialbereich endlich den Stellenwert gegeben, den sie „verdienen“ muss. Eine streikende Sozialarbeiterin machte in einer mit großem Beifall bedachten Rede deutlich, worum es geht: »Zuerst noch ein Wort an unsere Personaldezernentin Frau Collisi, die wir am Montag besucht haben. Sie sagten, dass wir unserer Qualifizierung entsprechend gut bezahlt würden und wenn wir tatsächlich mehr bekommen würden, dann käme das ganze Gehaltsgefüge bei der Stadt durcheinander. Das ist genau die Argumentation des Arbeitgeberverbandes, mit der sie bisher alle Verhandlungen blockiert haben.
Ich zitiere aus einer Stellungnahme des Arbeitgeberverbandes: „Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst nehmen im Gehaltgefüge des öffentlichen Dienstes eine herausgehobene Stellung ein. Sie liegen in der Regel über den Gehältern vergleichbarer Ausbildungsberufe und Tätigkeiten.
Das ist billige Zweckpropaganda, Kolleginnen und Kollegen, Euch brauche ich nicht nachzuweisen, dass das nicht stimmt. Ihr seht das monatlich auf eurem Gehaltszettel. Aber für Frau Collisi erklären wir das gerne noch einmal.
Frau Collisi: Als Personaldezernentin und ständige Vertreterin der Stadt Bochum im Kommunalen Arbeitgeberverband müssten Sie die Fakten kennen. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung lag das Durchschnittseinkommen im Bereich frühe Bildung 2010 bei 2630 Euro. Demgegenüber lagen z. B. die Einkommen von Technikern bei 4057 Euro brutto. Und eine Erzieherin ist nach 5 Jahren Ausbildung allemal so qualifiziert wie ein Techniker. Das gleiche gilt für Ingenieure, die wie wir Sozialarbeiter ein Hochschulstudium haben.“
Der Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung Frank Oldach und ver.di Geschäftsführerin Gudrun Müller, griffen die Verantwortlichen in der Stadt zusätzlich an, weil sie auch noch die Kitabeiträge der Eltern für die Streiktage einbehalten wollen. Gudrun Müller: „Mir drängt sich hier der Verdacht auf, dass sich die Stadt nicht nur so auf einfachstem Wege die Taschen voll machen will, sondern, dass sie mit dieser Regelung auch einen Keil treiben will, zwischen die streikenden Erzieherinnen und die Eltern.“
Die Linksfraktion im Rat schreibt zum Thema Kitabeiträge: »„Eltern zur Kasse zu bitten, obwohl wegen des Streiks überhaupt keine Gehälter an die streikenden Beschäftigten gezahlt werden, ist inakzeptabel“, sagt der Fraktionsvorsitzende Ralf-D. Lange. „Die Stadt muss unbürokratische Wege finden, das Problem zu lösen.“ Einige NRW-Städte haben bereits angekündigt, den Eltern die Gebühren für die Zeit des Streiks ganz oder teilweise zurück zu erstatten, darunter Dortmund, Hagen und Köln. „Richtig ist, dass Städte ohne einen genehmigten Haushalt dafür eine Sondergenehmigung des Innenministeriums NRW benötigen“, sagt Ralf-D. Lange. „Die Gewerkschaft ver.di hat sich bereits an die Landesregierung gewandt, um für diesen Kita-Streik eine solche Ausnahmeregelung zu erwirken. Wir erwarten, dass die Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz und die Bochumer Verwaltung diese Forderung mit allem Nachdruck unterstützen. Sollten sie diesbezüglich noch nicht einmal bei der Landesregierung vorstellig werden, können sie nicht gleichzeitig behaupten, ihnen seien die Hände gebunden.“
Auch unabhängig von einer Sondergenehmigung des Landes fordert die Linksfraktion, dass die Stadt Bochum unbürokratische Lösungen prüft. „Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass die Stadt ermöglicht, dass Eltern ihre Kinder für die Dauer des Streiks von der Kita abmelden können“, so Ralf-D. Lange weiter. „Ab- und Anmeldung für den Zeitpunkt, wenn der Streik beendet ist, könnten im gleichen Schreiben geschehen. Wenn die Verwaltung die aktuelle Elternbeitragssatzung so auslegt, dass dies nicht möglich ist, müssen wir sie auf der nächsten Ratssitzung ändern. Niemand kann uns erzählen, dass es mit dem entsprechenden politischen Willen nicht auch Möglichkeiten gibt. Wenn der Wille nicht da ist, muss sich die Stadt Bochum weiter vorwerfen lassen, dass sie die Eltern gegen die berechtigten Forderungen der Streikenden ausspielen will.“«