Donnerstag 20.11.14, 21:19 Uhr

TTIP und die roten Linien


Vorstand und Betriebsrat der BOGESTRA und ver.di hatten heute den Bochumer SPD-Bundestagsabgeordneten Axel Schäfer zu einer Diskussion über TTIP eingeladen. Schäfer hatte in einem Leserbrief in der ver.di-Mitgliederzeitung publik deren Chefredakteurin “eine völlig einseitige Agitation” in Sachen TTIP vorgeworfen. Sie folge „genau dem Terminus der Links-Partei. So werden immer wieder mit falschen Argumenten neue Ängste geschürt, die sich eins zu eins in ihrem Beitrag wiederfinden“.  Weiter schrieb Schäfer: „TTIP soll den Handel und die Investitionen auf beiden Seiten des Atlarıtiks erleichtern. Dazu sollen Bürokratie vermindert, Marktzugangshindernisse abgebaut und Doppelarbeiten verringert werden.“ 
Heute äußerte sich Schäfer weniger euphorisch und argumentierte eher defensiv, dass es es rote Linien gäbe, die bei TTIP nicht überschritten werden dürften, wenn die SPD zustimmen solle. Es dürfe keine privaten Schiedsgerichte geben, die Staaten verklagen dürfe. Die Daseinsvorsorge dürfe nicht dem Markt ausgeliefert werden. Er sei ganz entspannt, weil ja alle 28 EU-Staaten das TTIP-Abkommen ratifizieren müssen, damit es in Kraft tritt. Da kann also nichts schlimmes drinstehen. Inhaltlich äußerte sich Schäfer weiter nicht zu TTIP, sondern erzählte Anekdoten von seine Praktikum bei der Bogestra, vom jährlichen Empfang beim ver.di-Bundesvorstand, seiner Zeit als Jugendvertreter und warum direkte Demokratie schlecht für die Interessen von Arbeitnehmern ist…
Dr. Dierk Hirschel, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik von ver.di, erwiderte, dass er überhaupt nicht entspannt sei, wenn die EU-Kommission Geheimverhandlungen führe. Er nannte Beispiele wie die Dienstleistungsrichtlinie oder den Versuch der Privatisierung der Wasserversorgung, die die EU-Kommission versucht habe durchzusetzen. Er habe nicht das geringste Vertrauen darin, dass bei den TTIP- Verhandlungen die Interessen der ArbeitnehmerInnen vertreten werden. Hirschel machte deutlich, dass die Ideologie des Freihandels in den letzten 200 Jahren vor allem ein Instrument von wirtschaftlich Mächtigen gewesen ist, mit dem Schwächere ruiniert wurden. Auch heute würde der globale Freihandel in ersten Linie den ganz großen Konzernen nutzen, die dann effektiver produzieren und verkaufen können. Verlierer seien bis auf einige Ausnahmen mittelständische Unternehmen.
Wenn die EU es nicht schaffe, so Hirschel, die USA dazu zu bewegen alle ILO Kernarbeitsnormen zu unterzeichnen, dann sei nicht damit zu rechnen, dass andere erreichte Standards durchgesetzt werden können. (Die USA haben nur zwei der acht Normen unterzeichnet.) In den USA gäbe es in vielen Arbeitsbereichen vordemokratische Verhältnisse.
Gisbert Schlotzhauer, Personalvorstand bei der BOGESTRA, erklärte, dass sich die Unternehmen des ÖPNV durch TTIP in ihrer Existenz gefährdet sehen. Schon in Europa sei es schwierig, das Prinzip der öffentlichen Daseinsvorsorge zu verteidigen. In Verhandlungen mit den USA sei dies noch schwieriger. Die Direktvergabe von Aufträgen werde durch TTIP zu einem Markthemmnis definiert. Schlosshauer unterstrich, dass die Bedenken gegen TTIP auch von vielen Leuten geteilt werden, die sicherlich nicht verdächtig seien, linke Positionen zu vertreten. Er nannte den Städtetag und eine Resolution einer ganz großen Koalition im Herner Rat zum Thema TTIP.
Der Betriebsratsvorsitzende der  BOGESTRA Dieter Schumann erinnerte schließlich daran, welchen Beitrag die Beschäftigten der BOGESTRA in den letzten Jahren bereits geleistet haben, um das Unternehmen effektiver zu gestalten. Die Belegschaft empfinde die TTIP-Verhandlungen als Bedrohung ihrer Arbeitsplätze.
Dirk Hirschel kam dann auf CETA, das bereits ausgehandelte Abkommen der EU mit Kanada zu sprechen. Dieses Abkommen bestätige alle Befürchtungen in Bezug auf TTIP. Hier seien z. B. private Schiedsgerichte vorgesehen. Ein Zuhörer fragte Axel Schäfer, ob dieses Abkommen denn ratifiziert werde, wenn darin die anfangs genannten roten Linien überschritten seien und us-amerikanische Firmen dann über ihre Niederlassungen in Kanada vor Schiedsgerichten klagen könnten. Schäfer: Das sei schwierig, weil das ja von der Vorgänger-Regierung ausgehandelt worden sei. Aber jetzt sei ja nicht mehr der FDP- sondern der SPD-Vorsitzende Wirtschaftsminister. Man müsse mal sehen, was zu machen sei…