Montag 16.06.14, 09:45 Uhr
Ein Militarist ist kein guter Werbeträger

Herwig Niggemann und sein Moltkemarkt 2


Die Stimmung auf dem freitäglichen Delikatessenmarkt auf dem Springerplatz scheint zu kippen. Die Marktbetreiber um Herwig Niggemann, die die Stellplätze vermieten, sind deutlich um Schadensbegrenzung bemüht. Sie nennen ihren Markt jetzt nur noch „Moltkemarkt auf dem Springerplatz“ und lassen den Namen Moltkemarkt nirgendwo mehr auf dem Platz als solchen erscheinen. Die HändlerInnen an den Ständen sind offensichtlich genervt. Seit Wochen stehen die Aktiven des Friedensplenums mit Verbündeten aus anderen Gruppen jeden Freitag vor dem Markt und informieren die BesucherInnen über Helmuth von Moltke, nach dem Herwig Niggemann den Markt wieder benannt hat. Moltke war der führende Militarist des deutschen Kaiserreichs vor 130 Jahren. Im Kaiserreich und im Faschismus wurde Moltke geehrt und der heutige Springerplatz trug früher seinen Namen. Nach dem 2. Weltkrieg setzte der Bochumer Rat ein Zeichen und benannte den Platz nach Karl Springer, einem ermordeten Bochumer Widerstandskämpfer gegen den Faschismus. Immer mehr BesucherInnen fragen nun die HändlerInnen, wieso sie diesen Markt nach einem exponierten Militaristen benennen.
Dass Argument, dass Herwig Niggemann sich damit an seinen Großvater erinnern will, der den damaligen Markt in guter Erinnerung hatte, ist da nicht sehr überzeugend. Am Infostand des Friedensplenums erzählen ganz alte BochumerInnen, dass der Platz auch schon Jahrzehnte vor der Umbenennung im Volksmund nicht mehr Moltkeplatz hieß. Das sei ein Bauernmarkt gewesen, den alle Molkemarkt genannt hätten. Niemand hätte mit dem Namen den obersten Kriegsherrn der Preußen verbunden, sondern alle hätten an ein Milchprodukt gedacht.
Seit 10 Tagen sammelt das Friedensplenum Unterschriften gegen den Namen „Moltkemarkt“. Die Unterschriftenliste. Das war nicht geplant, aber immer mehr MarktbesucherInnen hatten das angeregt, bzw. regelrecht gefordert. Sie möchten deutlich machen, dass sie das Marktkonzept gut und den Namen aber unerträglich finden. Die Unterschriftenaktion wendet sich allerdings nicht an Herwig Niggemann. Er hat sehr deutlich gemacht, dass ihn kein Protest beeindrucken kann. Er hatte eine Geschäftsidee und an der hält er fest.
Die Unterschriftenaktion richtet sich an die Oberbürgermeisterin und den Rat der Stadt. Denn noch peinlicher als Herwig Niggemann sind die OB und die Bochumer SPD, die sich nicht trauen, einen einflussreichen Bochumer Geschäftsmann in seine Schranken zu weisen und ihn aufzufordern, einen Ratsbeschluss zu respektieren. Der Rat hat 1947 schließlich beschlossen, dass Moltke nicht länger mit einem „Moltkemarkt“ geehrt werden soll.
Bemerkenswert für den Zustand der SPD ist, dass Uralt-Sozialdemokraten wie die Professoren Faulenbach oder Brackelmann nicht das Standing haben, gegen die Kleinmütigkeit ihrer lokalen Sozialdemokratie aufzumucken, wenn ein einflussreicher Geschäftsmann Geschichtsrevisionismus in Bochum betreibt. Sie schweigen.
Die Unterschriften richten sich daher vor allem an die neuen jüngeren SPD-Ratsmitglieder in der SPD. Es bleibt abzuwarten, ob es da jemanden gibt, die oder der sich in einer anderen Tradition sieht als der sich in einigen Wochen zum 100. Mal jährenden Zustimmung der SPD zu den Kriegskrediten und damit zum 1. Weltkrieg.


2 Gedanken zu “Herwig Niggemann und sein Moltkemarkt

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