Rede am 3. 5. 2014 auf dem Husemannplatz gegen den Auftritt von Pro NRW
Sonntag 04.05.14, 07:01 Uhr

Wolfgang Dominik


mein Name ist Wolfgang Dominik und ich mache seit gefühlt ewigen Zeiten mit in der antifaschistischen Bewegung. Organisiert bin ich in der VVN-BdA, der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschist_innen.

Wenn Muslime von verschiedenen Funktionären oder in verschiedenen Schriften von pro NRW und ihren Sympathisanten als „Erbfeinde Europas“ bezeichnet werden, die es „auf die andere Seite des Mittelmeers“ zurückzudrängen gilt, wenn der Islam als „Eroberungsreligion“ und „Raubtier“ bezeichnet wird, wenn die Einwanderer als Träger „längst ausgestorbener Seuchen“ bezeichnet werden, wenn Menschen mit Migrationsbiographie den homogenen deutschen Volkskörper angeblich zersetzen, wenn Homosexualität als unnormales sexuelles Verhalten kriminalisiert wird und gefordert wird, dass viel Geld her müsse, um Jugendliche auf den „richtigen sexuellen Weg „ gebracht werden, wenn rassistische und fremdenfeindliche Hetze durch pro NRW betrieben wird, dann läuft das ziemlich parallel zu dem, was ich morgen auf meinem Stadtrundgang erzählen werde. Auch damals wurden Menschen durch faschistische Funktionäre so charakterisiert: Es waren damals jüdische Menschen, aber eben auch Homosexuelle und Sinti und Roma, die den sauberen deutschen Volkskörper nach faschistischer Rassenkunde angeblich zersetzten.

Die Hetze gegen Minderheiten: Asylbewerber, Muslime, andere Einwanderer in diese Stadt, aber nicht nur in dieser Stadt, muss aufhören!

Ich bereite gerade meinen VHS-Stadtrundgang über Bochum im Faschismus vor. Wenn ihr wollte, könnt ihr morgen ab 14.00 Uhr, ab Glocke auf dem Rathausplatz, daran teilnehmen. Bei diesem Stadtrundgang durch die Innenstadt werde ich an bestimmten Plätzen, Orten und Stolpersteinen zeigen, wie Faschismus sich in Bochum auswirkte. Als ich diesen Redebeitrag entwarf, stellte ich erstaunliche Parallelitäten zu dem, was ich morgen erzählen werde. In dem großen Strauß von bürgerlichen Ideologien, den die deutschen Faschisten damals anboten, fanden sich auch Angebote, die „man“ heute sinngemäß übersetzen könnte in die Propaganda von pro NRW, nämlich Asylmissbrauch, Armutseinwanderung, Überfremdung, Eroberung des Landes durch eine fremde Religion, also heute durch den Islam, damals durch Juden.. Genau diese Parolen führten 1992/93 zur Abschaffung eines Grundgesetzartikels, zur Abschaffung des Asylrechts. Die Parolen der extremen Rechten sind von bürgerlichen Medien und Politiker_innen begierig aufgegriffen worden. Heute hetzt pro NRW mit Angst und Panik produzierenden Begriffen wie Überflutung, Überfremdung, Eroberung. Pro NRW gehört zu den Organisationen, die ein in Teilen der Bevölkerung vorhandenes Gewaltpotenzial weiter anheizen. In diesem Klima werden dann hunderte von mehr oder weniger intensive Gewalttaten gegen Flüchtlinge, Asylbewerber_innen gegen Migrant_innen, gegen Schwule begangen.

Die Diskussionen über die Grauzonen und Verwandtschaften von reaktionärem Konservatismus und (Neo-)Faschismus sind nicht neu. Natürlich bestreitet pro NRW jegliche Nähe zu irgendwelchem faschistischem Gedankenungut. Ihre Aussagen aber kann ich morgen einfach übertragen in faschistische Parolen gegen jüdische Mitbürger, Schwule und Lesben, Sinti und Roma, dann sind wir bei 1933.

In diesem Zusammenhang ein Wort zu dem Platz, auf dem wir hier stehen: Und das ist auch ein Wort zur Bochumer Gedenk- und Erinnerungskultur:

Heute vor ziemlich genau 81 Jahren wurden die Gewerkschaften verboten, ihr Eigentum von der faschistischen Regierung geraubt, Gewerkschaftsführer, Antifaschisten und Antimilitaristen wie Heinrich Imbusch, Karl Springer und Fritz Husemann wurden in den nächsten Jahren von Faschisten ermordet, 3 wichtige Plätze sind in Bochum 1947 nach der Befreiung vom Faschismus nach ihnen benannt. Der Imbusch-Platz hieß ab 1938 Platz der SA, der Springer-Platz hieß Moltke-Platz und dieser Platz hier hieß Wilhelms-Platz. Die beiden Top-Militaristen Moltke und Wilhelm und die Terror-Organisation SA wurden 1947 von den Müttern und Vätern der Stadt in die Mottenkiste der Geschichte verbannt. Allerdings erlebt Moltke sein Revival durch die Idee im wesentlichen eines Geschäftsmanns in Bochum, der „seinen“ Abendmarkt auf dem Springer-Platz unbedingt nach Moltke nennen will. Ihr könnt dagegen mit dem Bochumer Friedensplenum jeden Freitag ab 16.00 Uhr demonstrieren. Hier auf dem Husemann-Platz erleben dank der Genehmigungen von Polizei und Stadt durch die Auftritte von NPD im letzten Jahr und heute pro NRW Ideologien ihr Revival, deren Nähe zu faschistischen Gedanken seltsamerweise sogar vom sog. Verfassungsschutz bemerkt worden sind. Dass ausgerechnet die geistigen Kinder und Enkel der Mörder Husemanns hier auf diesem Platz immer wieder ihre Hasstiraden verbreiten dürfen, haben wir hier an diesem Ort schon vor einem Jahr gleich mehrmals beklagt. Es muss Schluss damit sein, dass das Gedenken an Husemann heute schon wieder mit Füßen getreten wird. Für den sog. Moltke-Abendmarkt auf dem Springerplatz gilt das gleiche! Husemann wie Springer werden durch solche Veranstaltungen immer wieder verhöhnt.

Wir von der VVN-BdA fordern, dass die Stadt in Sachen Husemann-Platz und Springer-Platz aktiv wird, wir fordern, dass in dieser Stadt endlich solche faschistoiden und faschistischen Kundgebungen nicht mehr stattfinden!

Die VVN-BdA hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Ursachen des Faschismus beseitigt werden müssen. Wir haben die Ursachen auch schon hier oft genannt: In einem Wirtschaftssystem, in dem der Mensch des Menschen Wolf ist, in einem Wirtschaftssystem, in dem Solidarität zwischen Menschen systematisch zerstört wird, in einem Wirtschaftssystem, in dem auch Flüchtlinge allein unter dem Aspekt der Nützlichkeit für den kapitalistischen Profit gesehen werden, werden immer wieder Sündenböcke für alles mögliche an Krisen und Kriegen gesucht. Vergesst nicht, dass wir beim Kampf gegen pro NRW immer auch die Ursachen für rassistische Ideologien mitbedenken müssen!