Sonntag 15.09.13, 17:38 Uhr
ADFC: Bochum stellt "fahrradfreundlich" auf den Kopf

„Der Radfahrer als Wartepflichtiger“


Der Vorsitzende des ADFC Klaus Kuliga hat einen Verriss über die Fahrradpolitik der Stadt Bochum am Beispiel des geplanten Radwegendes an der Wasserstraße hinter der Kreuzung mit dem Außenring geschrieben: »Die Stadt Bochum definiert „fahrradfreundlich“ ganz neu: Als Stillstand des Radfahrers – nur zu seiner eigenen Sicherheit natürlich. Die Logik dahinter ist bestechend: Radfahrer, die irgendwo im Seitenraum der Straße herumstehen, sind ganz besonders sicher untergebracht. Das Fahren mit dem Rad wäre ja auch viel zu gefährlich. Wenn sich der Radler dann doch wieder zum Radfahren auf die Fahrbahn begibt, ist er selber schuld. Wenn es zum Unfall kommt: Hätte er eben besser aufpassen müssen! Die Stadt Bochum hat diese Verkehrssicherheitspolitik jetzt auch offiziell festgeschrieben – schwarz auf weiß und für jedermann nachzulesen.
Stein des Anstoßes war das neu zu bauende Radwegende an der Wasserstraße hinter der Kreuzung mit dem Außenring (jetzt noch Oviedo-Ring, künftig A 448). Der ADFC Bochum hatte scharf gegen das dort geplante „stumpfe Radwegende“ ohne Verbindung zur Fahrbahn protestiert. Jetzt hat die Verwaltung dazu in der Mitteilung 20130650/1 Stellung bezogen:
„Die Planung sieht ein stumpfes Ende des Radweges, unmittelbar östlich des Knotenpunktes zur Springorumallee, vor. Der Radfahrer soll sich im Seitenraum als Wartepflichtiger gegenüber dem Verkehr an der Straße aufstellen und Sichtkontakt zum Straßenverkehr haben. Bei einer ausreichenden Lücke kann er sich in den fließenden Verkehr auf der Straße einordnen. … Aufgrund der Komplexität des gesamten Knotenpunktes wird die Überleitung aus Sicherheitsgründen nicht befürwortet.”
Was die Verwaltung absichtsvoll verschweigt:
Vor und hinter dem Kreuzungsbereich gibt es keine Radwege, keine Radfahrstreifen, keine Schutzstreifen. Es gibt gar nichts. Die Radfahrer werden erst unmittelbar vor der Kreuzung von der Fahrbahn entfernt, um dann über zahlreiche Ampeln ohne durchgehende Grünphase zu anderen Seite der Kreuzung geführt zu werden. Es gibt an der ganzen Kreuzung Lichtsignalanlagen, nur am Ende des Radweges nicht. Nach 150 m lässt Bochum die Radfahrer einfach stehen.
In den gesamten Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) gibt es selbstverständlich kein Beispiel für ein „stumpfes Radwegende”. Im Gegenteil, die ERA 2010 halten fest:
„Die Ansprüche des Radverkehrs an eine sichere und attraktive signaltechnische Einbindung dürfen gegenüber den Anforderungen des Kraftfahrzeugverkehrs nicht vernachlässigt werden. Die Qualität des Verkehrsablaufes ist beim Radverkehr z. B. durch die ausreichende Dimensionierung von Aufstellbereichen oder die Vermeidung von Zwischenhalten zu verbessern.”
In den gesamten ERA 2010 findet sich nirgendwo auch nur im Ansatz der Gedanke, Radfahrer, die ohne Radverkehrsanlagen auf der Fahrbahn fahren, nur im Kreuzungsbereich auf einen Radweg zu überführen, der dann ohne Überleitung auf die Fahrbahn endet. Das Gegenteil wird empfohlen:
„Häufig sprechen Sicherheitsaspekte dafür, im Streckenbereich vorhandene baulich angelegte Radwege an Knotenpunkten in einen Radfahrstreifen zu überführen, um die Sichtbarkeit gegenüber rechts abbiegenden Kraftfahrzeugen zu erhöhen.”
Die Stadt Bochum stellt mit ihrer Planung das gesamte Wissen über die sichere Führung des Radverkehrs auf den Kopf – und will sich damit für die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e.V. (AGFS) empfehlen! Das ist Radweg-Irrsinn in Reinkultur.«