Donnerstag 11.07.13, 10:33 Uhr
Always look on the bright side of life

Legal Tribune: Filmaufführung am Karfreitag


von Constantin Baron van Lijnden
Tanzen ist nicht das einzige, was am Karfreitag verboten ist. Auch Filme dürfen in einigen Bundesländern nur gezeigt werden, wenn der Staat sie für geeignet hält. Die Initiative „Religionsfrei im Revier“ hat sich dem bewusst widersetzt, und am Todestag Jesu die Religionssatire „Das Leben des Brian“ aufgeführt – das Bußgeld folgte auf dem Fuße. Ein Blick auf die Rechtslage.
Von gesetzlich verordneter Besinnlichkeit hält die Initiative „Religionsfrei im Revier“ herzlich wenig. „Wir haben kein Problem mit Religion an sich, sehr wohl aber mit der staatlichen Bevorzugung der zwei großen Kirchen „, kommentiert Mitglied Jörg Schnückel. „Wenn Christen am Karfreitag trauern wollen, können sie das gerne tun. Aber es geht nicht an, dass Mitglieder anderer Konfessionen und Atheisten deshalb in ihren Rechten eingeschränkt werden.
Werden sie aber. Neben dem immer wieder diskutierten Tanzverbot ist zum Teil auch die öffentliche Aufführung von Filmen untersagt – in Bochum, der Heimatstadt der Initiative, etwa gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 3 des Sonn- und Feiertagsgesetzes Nordrhein-Westfalen (Feiertagsgesetz NW). Ausgenommen sind solche Filme, die „vom Kultusminister oder der von ihm bestimmten Stelle“ – in der Praxis ist dies die  Freiwillige Selbstkontrolle (FSK) – „als zur Aufführung am Karfreitag geeignet anerkannt sind“.
Die FSK wiederum orientiert sich an ihren Grundsätzen, in deren § 28 es – wenig hilfreich – heißt: „(1) Die FSK entscheidet auf Antrag, ob ein Film an den stillen Feiertagen öffentlich vorgeführt werden darf. (2) Stille Feiertage genießen, je nach gesetzlicher Regelung, besonderen Schutz. […]“. FSK-Pressesprecher Stefan Linz erläutert dazu: „Die Festlegung von Altersfreigabe und Feiertagseignung wird durch ein pluralistisch besetztes Gremium per Mehrheitsentscheid getroffen. Natürlich kann es dabei im Einzelfall auch zu Entscheidungen kommen, mit denen nicht jeder einverstanden ist.“
Harmlose Satire oder beleidigende Blasphemie?
So etwa beim „Leben des Brian“. Die britische Religionssatire schildert die Geschicke des namensgebenden Hauptdarstellers, der durch ein Missverständnis vom Volk als Messias verehrt und schließlich von der römischen Besatzungsmacht ans Kreuz geschlagen wird. „Always look on the bright side of life (death)“, singen er und eine Reihe von Leidensgenossen, während sie in der finalen Szene ihrem Tod entgegen gehen. So viel Verballhornung religiöser Überlieferung schien der FSK anno 1980 mit dem Charakter des christlichen Gedenktags inkompatibel, der Film erhielt das Siegel „nicht feiertagsfrei“.
Bei „Religionsfrei im Revier“ hingegen fand man, dass das „Leben des Brian“ gerade zum Karfreitag thematisch gut passen würde, und ersuchte die Stadt Bochum um Erlaubnis zur Aufführung. „Das wurde uns untersagt, mit dem Hinweis auf die angeblich eindeutige Rechtslage“, erinnert sich Schnückel. „Diese Zensur wollten wir nicht hinnehmen, und haben öffentlich angekündigt, dass wir den Film dennoch aufführen werden.“
Eine so eindeutige Missachtung ihres Bescheides wollte die Stadt nicht auf sich sitzen lassen, und erließ Anfang Juli 2013 einen Bußgeldbescheid über 1.000 Euro – zunächst wurde sogar über eine Strafe in doppelter Höhe nachgedacht. „Der Rechtsbruch geschah hier ganz klar vorsätzlich und wurde uns von der Initiative selbst zur Kenntnis gebracht. Da hatten wir gar keine andere Wahl, als entsprechend zu reagieren“, kommentiert Thomas Sprenger, Pressebeauftragter der Stadt Bochum.
Grundrechtliche Abwägung geboten
Ob die Entscheidung tatsächlich so alternativlos war, darf man aber bezweifeln. „In der Regel konkurriert beim Vorführverbot von Filmen am Karfreitag die allgemeine Handlungsfreiheit mit der Religionsfreiheit und dem verfassungsmäßig garantierten Schutz der gesetzlichen Feiertage“, erläutert Prof. Stefan Muckel vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Kirchenrecht der Universität Köln.
„In diesem speziellen Fall diente die Filmaufführung aber nicht nur der Unterhaltung, sondern war offenbar als Protestaktion geplant. Damit können die Teilnehmer auch die Grundrechte auf Meinungs-, Versammlungs-, und negativen Religionsfreiheit für sich geltend machen. § 6 Abs. 3 Nr. 3 des Sonn- und Feiertagsgesetzes NRW sieht eine Abwägung der betroffenen Grundrechte zwar nicht vor, aber eine solche hätte man im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift dennoch vornehmen können – und müssen.“
Auch die Einstufung des „Lebens des Brian“ als nicht feiertagsfrei hält Muckel für fragwürdig. „Grundsätzlich bin ich ein Freund der Idee, die gesetzlichen Feiertage gemäß ihrem eigentlichen Zweck zu begehen. Wenn man aber bedenkt, dass Action- und Horrorfilme mit sehr expliziter Gewaltdarstellung inzwischen am Karfreitag gezeigt werden dürfen, finde ich ein Verbot beim „Leben des Brian“ nur schwer zu rechtfertigen. Schließlich ist das eine eher harmlose, spöttelnde Komödie und nicht das Maria-Syndrom.“ (wegen § 166 StGB verbotenes, extrem religionskritisches Musical, Anm. d. Red.)
Nicht helfen wird der Initiative allerdings, dass sie sich darauf beruft, dass durch die Aufführung in einer Kneipe niemand gestört worden sei und es auch keine Klagen von Anwohnern gegeben habe. „Darauf kommt es aber nicht an“, erläutert Muckel. „Das Gesetz schützt hier bereits vor einer abstrakten Gefahr. Dass irgendjemandes Feiertagsruhe konkret beeinträchtigt wurde, ist nicht Voraussetzung.“
Notfalls bis nach Karlsruhe
Bei „Religionsfrei im Revier“ will man sich jedenfalls gegen das Bußgeld zur Wehr setzen und hat inzwischen einen Anwalt beauftragt. „Im Grunde haben wir uns über den Bescheid eher gefreut als geärgert, weil er uns die Möglichkeit gibt, eine rechtliche Klärung der Lage herbeizuführen“, gibt Schnückel zu. Der „Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten“ (IBKA) habe bereits eine Übernahme der Prozesskosten versprochen, notfalls wolle man die Sache bis nach Karlsruhe bringen.
Dass die Initiative dort Erfolg haben könnte, hält Muckel nicht einmal für ausgeschlossen: „Im Ergebnis kann ich mir schon vorstellen, dass ein Verbot hier gerechtfertigt ist. In jedem Fall hätte aber eine Abwägung der widerstreitenden Interessen und Rechtsgüter stattfinden müssen. Falls das nicht in ausreichendem Maße geschehen ist, kann eine Verfassungsbeschwerde auch deshalb begründet sein.“
Bei „Religionsfrei im Revier“ sieht man darüber hinaus ganz grundsätzlichen Handlungsbedarf. Schnückel fasst das Anliegen folgendermaßen zusammen: „Erfreulich fände ich eine Regelung, die jeder Religionsgemeinschaft eine bestimmte Anzahl von Feiertagen zubilligt, welche diese dann gemäß ihren eigenen Vorstellungen über das Jahr verteilen kann. Dass wir eine so grundsätzliche Änderung nicht durch dieses eine Verfahren bewirken können, ist uns auch klar, aber wir finden es dennoch wichtig, Aufmerksamkeit auf die ungerechte und überkommene Rechtslage in diesem Punkt zu lenken.“