Montag 03.06.13, 08:48 Uhr

Solidarität ist gefordert


Die Compania Bataclan, die durch viele direkte perönliche und politische Kontakte mit FreundInnen in der Türkei verbunden ist, schreibt: »Seit einer Woche spitzt sich die Situation in Istanbul und mittlerweile vielen anderen Städten von u.a. Izmir über Ankara bis in die kurdische Hauptstadt Amed (Diyarbakir) dramatisch zu. Auslöser für die Proteste in Istanbul ist die Ankündigung der Stadtverwaltung einen Park zu schließen und dem Erdboden gleich zu machen. Der bei der urbanen Bevölkerung beliebte Gezi-Park gilt als eine der letzten „grünen Lungen“ in einer von Gentrifizierung (ganze Stadtteile werden abgerissen, die arme Bevölkerung vertrieben, um Wohn – und Konsumraum für die Reichen zu schaffen) begriffenen Stadt und ist gleichwohl Naherholungsgebiet für viele Menschen. Mehrere tausend Bäume sollen einem multifunktionellen Einkaufszentrum weichen. Zunächst einem zivilen Ungehorsam Folge leistend setzt sich die Bevölkerung zur Wehr und hat den Park besetzt. Dieser Versuch einer Rückeroberung des öffentlichen Raumes soll durch äußerst brutale und völlig überzogener Angriffe mittels Tränengas und Gummigeschossen bis hin zu scharfer Munition durch Polizei und Sicherheitskräfte im Kontext einer Strategie der Einschüchterung verhindert werden. Aber die Bevölkerung leistet Widerstand.
Zwei Millionen Menschen in der gesamten Türkei und es werden immer mehr. Bestätigten Informationen zufolge, erklären sich einige hunderte Polizisten mit den DemonstrantInnen solidarisch und verweigern ihre Einsatzbefehle. Ebenso bestätigt ist, dass es zu mehreren Todesfällen gekommen ist, die genaue Zahl der Opfer ist bis dato unbekannt. Die staatlich gelenkten Medien schweigen. Kritische Medien werden dagegen an der Öffentlichkeitsarbeit gehindert. Internetaustausch mit bezugnehmenden Charakter durch Zensur verhindert und unmöglich gemacht, was an China und diktatorische Maßnahmen erinnert. Dennoch sind erwähnte Proteste nur eine Seite der Medaille.
Das erst kürzlich durch die AKP und Tayyip Erdogan verfügte Alkoholverbot, ist nur ein Fragment einer schleichenden, aber doch so augenscheinlich deutlichen Islamisierung der Türkei. Die laizistisch-orientierten (Trennung von Religion und Staat) Generäle wurden vor Gericht gestellt und zu längjährigen bis lebenslangen Haftstrafen verurteilt und durch islamistische und linientreue ausgetauscht. Bars und Teehäuser, die Teil eines pulsierenden Lebens in den malerischen Gassen und Straßen der Metrople am Bosperus ausmachen, werden mit Schließung bedroht, wenn die BetreiberInnen Stühle und Tische vor ihren Lokalen aufstellen, so wie sie schon immer taten und zum Bild gehören.
Des Weiteren wird immer mehr dahingehend diskutiert, dass sich Frauen mit Kopftüchern zu bekleiden haben. Zwei weitere Aspekte, die ebenso dem Größenwahn der AKP anheim fallen, dürfen im Gesamtzusammenhang des aktuellen Widerstandes nicht außer Acht gelassen werden: Einerseits der geplante Bau einer dritten Brücke über den Bosperus, der ökologische Konsequenzen im Sinne von nachhaltiger Umweltzerstörung von Flora und Fauna nach sich zöge. Darüber hinaus soll ein neuer Flughafen und damit der Dritte entstehen. Dieser soll in einem großem Waldgebiet vor den Toren der Stadt gebaut werden. 17.000 Bäume müssten gerodet werden, die letzte „grüne Lunge“ wäre zerstört. Istanbul und die Türkei aber hat andere Probleme, die sich aus der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und menschenwürdigem Leben für Alle und der Kurdistan-Frage speisen. Mit diesen Forderungen gilt es sich solidarisch zu erklären!«