Montag 01.04.13, 16:05 Uhr
Diskussion beim Ostermarsch über Rüstungsexporte

Ein Überraschungs-Osterei der SPD 1


Bei der sonntäglichen Abschlussveranstaltung des Ostermarsch Ruhr im Bahnhof Langendreer diskutierten gestern Sevim Dagdelen, MdB der Linken, und Serdar Yüksel, Mdl der SPD, unter der Leitung von Michael Hermund, DGB, über das Thema Rüstungsexporte. Alle drei waren sich darüber einig, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung sowohl Rüstungsexporte als auch militärische Auslandsinterventionen wie in Afghanistan ablehnt. Serdar Yüksel räumte ein, dass die Rüstungsexporte unter der rot-grünen Bundesregierung von Schröder und Fischer erheblich angestiegen waren und dass die SPD in aller Regel den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zugestimmt habe. „Mit einem Kreuz bei der Bundestagswahl wird sich auch bei den Rüstungsexporten nicht viel ändern“, machte er unmissverständlich deutlich. Vom Friedensplenum war er zuvor aufgefordert worden, nicht nur seine persönliche Meinung sondern auch die Politik der SPD darzustellen. Serdar Yüksel war quai als Überraschungs-Ei der SPD bei der Veranstaltung aufgetaucht.
Die SPD hatte wenige Tage zuvor mitgeteilt, dass eine Teilnahme der SPD leider nicht möglich sei. Das Bochumer Friedensplenum hatte sich lange vergeblich um eine Beteiligung von SPD und Grünen bei der Veranstaltung bemüht. Bereits vor einem Vierteljahr waren Axel Schäfer, SPD, und Frithjof Schmidt, Grüne, zur Ostermarsch-Veranstaltung eingeladen worden. Beide Bochumer Abgeordnete sind stellv. Vorsitzende ihrer Bundestagsfraktion. Beide sagten ab. Nur die Bochumer Abgeordnete Sevim Dagdelen, Mitglied der Linken im auswärtigen Ausschuss des Bundestages sagte sofort zu. Sie arbeitet ohnehin eng mit dem Friedensplenum zusammen.
Daraufhin wurden die Bochumer SPD und Grünen eingeladen, VertreterInnen ihrer Partei zu benennen. Die SPD wurde gebeten, jemanden zu benennen, der auch die Position der SPD vertritt. Im letzten Jahr hatte Serdar Yüksel nämlich als Repräsentant der SPD bei einer Veranstaltung des Friedensplenums zum Thema NATO-Einsatz in Libyen eine erfrischend antimilitaristische Position vertreten, die diametral zur Politik der SPD stand. Das hatte bei vielen ZuhörerInnen für Unmut gesorgt, weil sie das als Täuschung empfanden.
Die Grünen teilten in den vergangenen Wochen auf Nachfrage immer wieder mit, dass sie noch niemand gefunden haben, die oder der sich zutraut, auf dem Ostermarsch die Militärpolitik der Grünen zu vertreten. Als auch die SPD endgültig ihre Teilnahme absagte, hatte das Friedensplenum Fragen zum Thema Rüstungsexport ausgearbeitet, die in der Öffentlichkeit immer wieder der Friedensbewegung entgegen gehalten werden. Sevim Dagdelen sollte sie sachkundig beantworten.
In ihrem Eingangsstatement präsentierte sie dann auch die Fakten zum Thema. Größter Abnehmer von deutschen Waffen ist z. B. Griechenland. Die Bundesregierung hat Griechenland gezwungen, vor längerer Zeit geordertes Kriegsmaterial abzunehmen und jegliche Stornierungswünsche abgelehnt. Sevim Dagdelen listete dann auf, in welche Diktaturen und welche Länder, die gleichzeitig „Entwicklungshilfe“ bekommen, Waffen aus Deutschland geliefert wurden. Sie ergänzte, dass die Rüstungsexporte nur ein Teil der mörderischen Außenpolitik Deutschlands sei. Neben den direkten militärischen Interventionen in immer mehr Ländern der Welt sei es vor allem eine weitgehend von der Öffentlichkeit unbeachtete Schulungs- und Ausbildungstätigkeit, mit der die Bundesregierung am Parlament vorbei Militärs und Polizeikräfte in aller Welt ausbilde und schule. Im Jemen haben z. B. deutsche Militärberater dabei geholfen, oppositionelle Kräfte niederzuschlagen.
In Sachen Rüstungsexporte, so Sevim Dagdelen, sind grundlegende Kontrollmöglichkeiten des Parlamentes gegenüber der Regierung ausgehebelt. Die Abgeordneten erfahren bestenfalls veraltete Informationen über Rüstungsgeschäfte. Entscheidungsbefugnisse habe das Parlament nicht.
Sie appellierte an die Anwesenden, den außerparlamentarischen Druck gegen die gesamte mörderische Außenpolitik zu erhöhen. Die Rüstungsexporte seien nur Teil einer Politik, die darauf setzt, mit Waffenlieferungen und Militärausbildung dafür zu sorgen, dass die ökonomischen und geopolitischen Interessen weltweit durchgesetzt werden, ohne dass sich zukünftig deutsche Soldaten direkt daran beteiligen müssen.
Zum Abschluss der Diskussion mahnte der ehemalige DGB-Regionsvorsitzende Michael Hermund an, wieder verstärkt das Thema Rüstungskonversion in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung zu rücken. Dabei machte er deutlich, dass er dies als selbstkritische Aufforderung an die Gewerkschaften versteht.


Ein Gedanke zu “Ein Überraschungs-Osterei der SPD

  • Christian Leye

    Es ist nun nicht das erste Mal, dass Serdar Yüksel öffentlich seine private, persönliche Meinung und die Position seiner Partei verwechselt. So gab es im letzten Landtagswahlkampf eine Podiumsdiskussion in Wattenscheid zum Thema Sozial- und Rentenpolitik. Dort vertrat Serdar Yüksel derart linke, soziale Positionen u.a. in Bezug auf Hartz IV und den Niedriglohnsektor, dass aus dem Publikum spontan der (ernst gemeinte) Ruf nach einer Regierungskoalition zwischen LINKE und SPD/Grünen aufkam. Das ist angesichts der politischen Positionen der SPD und Grünen in der Sozialpolitik oder ihrer militaristischen Außenpolitik und Waffenexporten natürlich grotesk; andersrum wäre ich gerne dabei gewesen, wenn Serdar solche Positionen mit der SPD-Landtagsfraktion diskutiert. Allerdings zeigt sich hier, wie stark Serdar Politik und Privatmeinung verwechselt. Für ein linksdenkendes SPD-Mitglied kann das aber nicht auf ewig der Ausweg aus dem Widerspruch zwischen der eigenen linken Überzeugung und der neoliberal-militaristischen Parteiposition sein.

    Aus einer politischen Perspektive ist es darüber hinaus gefährlich, wenn Serdar Yüksel öffentlich immer wieder das freundliche, soziale und antimilitaristische Gesicht der Partei vor Ort ist, während seine Partei konsequent das genaue Gegenteil von dem umsetzt, was Serdar so denkt. Solche Außendarstellungen tragen dazu bei, die Sozialdemokratie entgegen jeder politischer Erfahrungen alle Jahre wieder als Alternative erscheinen zu lassen, auf dass sie uns anschließend wieder über den Tisch ziehen.

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