Freitag 04.01.13, 19:13 Uhr
JournalistInnen sollten nicht nur schreiben sondern auch lesen können

Schwindel bei der Zahl der Arbeitslosen 1


Monat für Monat wird die Öffentlichkeit durch unkritische JournalistInnen über das Ausmaß der Arbeitslosigkeit getäuscht. Gestern hat die Bochumer Agentur für Arbeit eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie gleich am Anfang und fett hervorgehoben schreibt: „Aktuell 17.698 Arbeitslose in Bochum“. Radio Bochum meldete: „In Bochum ist die Zahl der Arbeitslosen im Monat Dezember leicht gestiegen. Ende des Jahres lag sie bei 17.700.“ Die Ruhr Nachrichten:  „17 698 Personen waren im Dezember 2012 arbeitslos gemeldet“. Die WAZ: „Aktuell gibt es in Bochum 17 698 arbeitslose Menschen“. Dies ist Unsinn. Mit der Pressemitteilung verschickt die Arbeitsagentur auch ihren Arbeitsmarktreport für Bochum. Hier heißt es auf Seite 8 unter der zynischen Überschrift „Komponenten der Unterbeschäftigung“, dass hier nun die Zahl von Menschen aufgeführt wird, „die nicht als arbeitslos gelten, weil sie Teilnehmer an einer Maßnahme der Arbeitsmarktpolitik oder in einem arbeitsmarktbedingten Sonderstatus sind. Diese Personen werden zur Unterbeschäftigung gerechnet, weil sie für Menschen stehen, denen ein reguläres Beschäftigungsverhältnis fehlt.“ So wird umschrieben, wie vor einigen Jahren beschlossen wurde, die Massenarbeitslosigkeit statistisch zu beschönigen. Wenn Arbeitslose an irgend einer sinnlosen Maßnahme teilnehmen müssen, sind sie nach der Definition der Arbeitsverwaltung nicht mehr arbeitslos, sondern „unterbeschäftigt“. In Bochum sind dies nach Angaben der Arbeitsagentur 5.506 Menschen.  Damit beträgt die Zahl derer, „denen ein reguläres Beschäftigungsverhältnis fehlt“ und die gemeinhin als arbeitslos bezeichnet werden 23.204. Dies ist allerdings nur die Zahl der Arbeitslosen, die sich bei der Arbeitsagentur melden. Es gibt ferner noch eine erhebliche Dunkelziffer von Leuten, die sich nicht den Sanktionen von Arbeitsagentur und Jobcenter aussetzen wollen.
Beeindruckend ist, dass nicht nur Bochumer LokalreporterInnen völlig unkritisch die geschönten Zahlen der Arbeitsverwaltung als gesellschaftliche Realität darstellen. Auch in den überregionalen Medien wird der Schwindel in aller Regel mitgemacht.


Ein Gedanke zu “Schwindel bei der Zahl der Arbeitslosen

  • Norbert Hermann

    Weg mit der Arbeit!
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    Jahr für Jahr und Monat für Monat gibt es Kritik an der von Berlin verordneten „neuen Zählweise“ der Bundesagentur für Arbeit. Das Statistische Bundesamt ermittelt eine noch grössere Zahl der „Unterbeschäftigung“ – hier wird berücksichtigt, dass manche Teilzeitarbeitende mehr Stunden ableisten wollen und viele eine ihrer Qualifikation entsprechende bessere Tätigkeit wünschen.
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    Noch schlimmer als die grosse „Unterbeschäftigung“ ist allerdings die „Überbeschäftigung“ – die Tatsache, dass immer mehr Menschen immer mehr Stunden arbeiten gehen statt sich dem Leben hinzugeben. Warum?
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    Als in den sechziger Jahren das „Hinzuverdienen“ der Hausfrauen und Mütter begann, da ging es noch darum, sich etwas „extra“ gönnen zu können. Heute geht es darum, damit und mit zusätzlichen Minijobs das Nötigste zum Überleben zusammen zu kratzen.
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    Dabei bestimmt die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen in Artikel 24 II
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    „Der Lohn muss der Leistung entsprechen und den angemessenen Lebensbedarf des Arbeitenden und seiner Familie decken. Für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung besteht Anspruch auf gleichen Lohn.“
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    Und der DGB fordert in „Arbeitsmarkt aktuell“ 08/2012, S. 17:
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    „Aus Sicht des DGB sollte eine Vollzeitbeschäftigung pro Haushalt (bei Paarhaushalten eine Beschäftigung in diesem Gesamtumfang) Einkommensarmut in aller Regel ausschließen.“
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    http://www.dgb.de/service/newsletterarchiv/arbeitsmarktpolitik Ausgabe 08-2012 (961 kb – noch nicht online)
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    So muss es sein! Und noch besser! Der grösste Arbeitgeber in Bochum ist der öffentliche Dienst – nicht alles ist sinnvoll, was da geackert wird. Und viele „Dienstleistungen“, Erziehungs- und Bildungsleistungen, „Fertigprodukte“ müssen wir erkaufen, weil wir zu viel schuften müssen und zu wenig Zeit haben, unsere Lebenskultur zu pflegen. Darüber werden wir mehr und mehr dumm und krank und müssen uns in die Hände entsprechender Reparaturbetriebe begeben.
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    Weg damit! Her mit dem Leben!
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    Norbert Hermann – Bochum-Prekär

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