Dienstag 27.03.12, 21:29 Uhr
Wer den Hungernden kein Brot gibt - Der will die Gewalttat

Johanna zum Bochumer Haushalt


Bei der Aktion der Bochumer Occupy-Initiative am Mittwoch Nachmittag wird folgender Text aus Bertolt Brechts Die heilige Johanna der Schlachthöfe geflüstert:
JOHANNA:
Jetzt seh ich dies System, und äußerlich
Ist’s lang bekannt, nur nicht im
Zusammenhang! Da sitzen welche, Wenige, oben
Und Viele unten, und die oben schreien
Hinunter: kommt herauf, damit wir alle
Oben sind, aber genau hinsehend siehst du was
Verdecktes zwischen denen oben und denen unten
Was wie ein Weg aussieht, doch ist’s kein Weg
Sondern ein Brett, und jetzt siehst du’s ganz deutlich
Es ist ein Schaukelbrett, dieses ganze System
Ist eine Schaukel mit zwei Enden, die voneinander
Abhängen, und die oben
Sitzen oben nur, weil jene unten sitzen
Und nur, solange jene unten sitzen
Auch müssen’s unten mehr als oben sein,
Sonst hält die Schaukel nicht. s‘ ist nämlich eine Schaukel
Und es ist eine Kluft zwischen oben und unten
Und was oben vorgeht,
Erfährt man unten nicht,
Und nicht oben, was unten vorgeht
Und es sind zwei Sprachen oben und unten
Und zwei Maße zu messen
Und was Menschengesicht trägt
Kennt sich nicht mehr
Denn die unten sind, werden unten gehalten,
Damit die oben sind, oben bleiben. Und
Säßen nicht mehr oben, wenn jene heraufkämen,
Ihren Platz verlassend, so daß
Sie wollen müssen, diese säßen unten
In Ewigkeit und kämen nicht herauf.
Und der Oberen Niedrigkeit ist ohne Maß
Und auch wenn sie besser werden, so hülfe es
Doch nichts, denn
Wie soll die Stimme, die aus den Häusern kommt
Die der Gerechtigkeit sein
Wenn auf den Höfen die Obdachlosen liegen?
Wie soll der kein Schwindler sein, der die Hungernden
Anderes lehrt als wie man den Hunger abschafft?
Wer den Hungernden kein Brot gibt
Der will die Gewalttat
Wer im Nachen
Keinen Platz für die Versinkenden hat
Der hat kein Mitleid
Wer keine Hilfe weiß
Der schweige.
aus:
Bertolt Brecht
Die heilige Johanna
der Schlachthöfe