Montag 23.01.12, 14:52 Uhr
Ver.di Betriebs- und Personalräte kritisieren Kürzungspaket

Gigantisches Personalabbaukonzept


Als Reaktion auf die Spar- und Kürzungsvorschläge, die im Rahmen der Beratungskooperation zwischen Stadt und Bezirksregierung entwickelt und nun öffentlich gemacht sind, haben sich die in ver.di organisierten Betriebs- und Personalräte der Bochumer Stadtverwaltung sowie der städtischen Töchter BoGeStra, EGR, Sparkasse Bochum, Stadtwerke Bochum, USB und VBW zu einem „Runden Tisch“ zusammengeschlossen und folgende umfangreiche Stellungnahme veröffentlicht:
»Die Beratungskooperation hat mehr als 160 Konsolidierungsvorschläge mit einem Volumen von rd. 65 Mio. Euro aufgezeigt. Die ver.di Betriebs- und Personalräte lehnen das Kürzungspaket ab, weil es sich als gigantisches Personalabbaukonzept entlarvt. Die eigentlichen Ursachen der kommunalen Finanzmisere, die strukturelle Unterfinanzierung der Städte durch Land und Bund, werden  in keinster Weise beseitigt, sondern bestehen unverändert weiter fort.
Allein bei der Stadtverwaltung beinhalten 73 der 166 Vorschläge Einsparungen beim Personalaufwand. Bereits mit dem Haushaltssicherungskonzept 2009 sowie der Fortschreibung der Personalkostenbudgetierung wurde eine Reduzierung beim Personal um rd. 40 Mio. Euro (733 Vollzeitstellen) beschlossen. Jetzt sollen zusätzliche 20 Mio. Euro im Personalbereich eingespart werden. Die Vielzahl von Einzelmaßnahmen zieht sich durch alle Aufgabenbereiche und wird die Leistungsfähigkeit der Stadtverwaltung insgesamt erheblich beeinträchtigen. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass in der Folge des massiven Personalabbaus die Angebote und der Service für die Bochumer Bürgerinnen und Bürger drastisch beschnitten werden wird. Bereits heute sind Warteschlangen und lange Bearbeitungszeiten in den Bürgerbüros, Reduzierung der Öffnungszeiten in den städt. Bädern und Büchereien usw. das Resultat dieses Sparkurses. Verhältnisse wie kürzlich im Ausländerbüro der Stadt Bochum kann doch auch die örtliche Politik nicht wirklich wollen. Wie sich die Politik die zukünftige öffentliche Daseinsvorsorge vorstellt, wenn die Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden – darauf erwarten die Interessenvertreter konkrete Antworten.
Besonders kritisch sieht der Personalrat der Stadtverwaltung den Abbau von sog. sozialen Arbeitsplätzen, heißt:  von Beschäftigungsmöglichkeiten für z.B. Leistungsgeminderte sowie für Beschäftigte im unteren Entgeltbereich. Beispielhaft seien hier die Einführung einer Videoüberwachung im Kunstmuseum – sofern es nicht geschlossen wird – das Auslaufen des Wachdienstes oder der Wegfall von Reinigungsflächen durch Aufgabe von Gebäuden genannt.
Dass etliche Vorschläge darüberhinaus völlig unausgereift und nicht zu Ende gedacht sind, kann man z.B. daran erkennen, dass bei 26 Maßnahmen zwar Einsparungen beim Personalaufwand beziffert werden, eine Aussage über den daraus resultierenden Personalabbau jedoch ausbleibt.
Absolut nicht akzeptabel ist das Fehlen eines Personalentwicklungskonzeptes. Zwar soll der Abbau von Personal im Wesentlichen aufgrund von Fluktuation im Rahmen der demografischen Entwicklung und auch sozialverträglich durch Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen stattfinden, gleichzeitig müssen freiwerdende Stellen aber auch wieder besetzt werden können, will man die Verwaltung weiterhin arbeitsfähig halten.  Hier ist die Verwaltung gefordert, einen derart gravierenden Veränderungsprozess rechtzeitig durch ein Personalentwicklungskonzept strategisch zu steuern.

Auch die städtischen Töchter sollen zur Konsolidierung herangezogen werden.
Seit der GmbH-Gründung der Stadtwerke Bochum im Jahre 1972 und insbes. seit der Liberalisierung 1998 fanden ständige Strukturanpassungen und Personaleinsparungen statt, so dass man davon ausgehen kann, dass weitgehende Einsparpotenziale im Personal- und Materialkostenbereich ausgeschöpft sind. Darüberhinaus ist zu befürchten, dass eine Abschmelzung des Eigenkapitals (Reduktion der Thesaurierung) die Finanzierung eigener wirtschaftlich sinnvoller Projekte gefährdet. Im Übrigen enthält die Identifikation von 8,5 Mio. Euro so viele unvorhersehbare Annahmen, dass man sich fragen muss, wie seriös und ernsthaft die Vorschläge überhaupt sind.
Der USB soll durch Rechtsformänderung (Umwandlung in eine AÖR) jährlich 5 Mio. Euro Einsparpotenzial bringen. Der Betriebsrat lehnt diese Pläne ab, denn öffentlich-rechtliche Organisationsformen reduzieren die Mitbestimmungsrechte erheblich. Einerseits gilt das Betriebsverfassungs-gesetz nicht in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen und andererseits entfiele durch Wegfall des Aufsichtsrates die öffentliche Kontrolle über ein gemeinwohlorientiertes Unternehmen.
Das Einsparvolumen in Höhe von 5 Mio. Euro soll durch Einsparungen bei der Mehrwertsteuer erzielt werden. Die Realisierung ist allerdings mehr als fraglich, denn die EU-Kommission stellt die Zukunft der Mehrwertsteuer in Frage. Doch selbst unter der Annahme, dass dieses Vorhaben realisiert werden kann, stellt sich die Frage, ob der Kämmerer dieses Geld im Rahmen der Haushaltskonsolidierung tatsächlich der Stadtkasse zuführen soll oder ob nicht eher die Bochumer Bürger einen Anspruch auf Entlastung durch Reduzierung der Gebühren haben.
Im Übrigen muss bedacht werden, dass der USB eine 100%-ige Tochter der Stadtwerke Bochum ist. Im Falle der Umwandlung in eine AÖR müsste ein bilanzieller Wertausgleich (> 10 Mio. Euro für die Stadtwerke) eingebracht werden. „Linke Tasche – rechte Tasche“ löst nicht das Haushaltsdefizit.
Die Sparkasse Bochum soll durch Erhöhung der Ausschüttung ab 2014 insgesamt mit 16,3 Mio. Euro zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Zusätzliche 2 Mio. Euro sollen durch Aufwandsreduzierungen realisiert werden. Der Personalrat befürchtet, dass hierfür erneut das Personal zur Kasse gebeten werden wird. Dabei hat die Sparkasse Bochum seit dem Jahr 2000 bereits mehr als 100 Arbeitsplätze abgebaut, 2 Geschäftsstellen in 2005 geschlossen und 1 personenbesetzte GST in eine Automaten-GST umgewandelt. Diese Entwicklung darf sich nicht fortsetzen, will man öffentliche Daseinsvorsorge in der Stadt auch in diesem Bereich und in der Fläche bereithalten.
Die  VBW Bauen und Wohnen GmbH soll durch Gewinnausschüttung in Höhe von 0,5 Mio Euro zur Haushaltskonsolidierung beitragen. Aufgrund der Gesellschafterstruktur der VBW muss bei einer höheren Ausschüttung an die Stadt Bochum derselbe Anteil nochmal an die übrigen Gesellschafter ausgeschüttet werden, so dass dieser Anteil ungenutzt verpuffen würde und die Summe insgesamt nicht mehr für Maßnahmen der Quartiersentwicklung und Objektmodernisierung zur Verfügung steht.
Auch die Tochter EGR Entwicklungsgesellschaft Ruhr-Bochum mbH ist im Sparpaket aufgeführt. Die EGR soll ihren Zuschussbedarf um insges. 100.000 Euro reduzieren. Durch bessere Auslastung von RuhrCongress u.a. soll diese möglich sein. Eine Konkretisierung, wie dieses umgesetzt werden könnte, fehlt im Konzept völlig.
Durch eine zusätzliche Verminderung des Ausgleichsbetrages der BOGESTRA im Rahmen der Haushaltskonsolidierung von 1 Mio. Euro sieht der Betriebsrat eine nicht mehr zu vermittelnde Mehrbelastung der Belegschaft und die Gefahr, dass es zu deutlichen Einschränkungen der Leistung und Qualität im Nahverkehrsangebot kommt. Damit wären Arbeitsplätze akut gefährdet. Insbesondere vor dem Hintergrund der Restrukturierungsbeiträge in Höhe von 60 Mio. Euro, die die Belegschaft der BOGESTRA seit 2001 über die Einführung des Spartentarifvertrages TVN/ NW geleistet hat und der noch zu leistenden Beiträge in Millionenhöhe in den nächsten Jahren wird eine zusätzliche Belastung der Mitarbeiter absolut inakzeptabel. Die Belastungsgrenze der Mitarbeiter ist erreicht, wenn nicht sogar an manchen Punkten bereits überschritten.

Die ver.di Betriebs- und Personalräte wenden sich gegen den Druck, der aus der Beratungskooperation der Stadt mit der Bezirksregierung auf alle Beschäftigten bei der Stadtverwaltung und deren Töchtern lastet. Haushaltskonsolidierung darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.
Ver.di fordert eine Gemeindefinanzreform, die die Kommunen mit aufgabengerechter Finanzierung ausstattet. Nur so können die in der Verfassung und in der Gemeindeordnung festgelegten kommunalen Aufgaben in öffentlicher Trägerschaft erbracht und somit die Grundversorgung für die Bürgerinnen und Bürger sichergestellt werden. Soziale Daseinsvorsorge darf nicht kaputt gespart werden.
Will man die Kommunen wirklich aus ihrer Finanznot holen, müssen die tatsächlichen Ursachen der Probleme angefasst werden. Die Politik auf Bundes- und Landesebene steht in der Verpflichtung Maßnahmen zu treffen, die eine nachhaltige Finanzierung kommunaler Aufgaben sichern.«