Mittwoch 18.01.12, 10:57 Uhr
Das Schulministerium zu Bochumer Repressionsmaßnahmen

SchülerInnen dürfen streiken


Die Linksfraktion im Bochumer Stadtrat schreibt: »Bochumer Schulleitungen reagierten zum Teil repressiv auf die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern an Bildungsstreik-Demonstrationen während der Unterrichtszeit im November letzten Jahres. Anfangs drohte man mit Nachsitzen; es blieb bei Eintragungen ins Klassenbuch wegen unentschuldigten Fehlens. Schulpflicht geht vor Versammlungsfreiheit: So lauteten traditionell die Rechtsauskünfte der Bezirksregierungen an Bochumer Schulleitungen.Ralf Feldmann, Mitglied der Linksfraktion im Rat und im Schulausschuss, kritisierte in einem Schreiben an Schulministerin Löhrmann dieses Vorrangargument als “rechtlichen Kurzschluss“. “Gegen die Pflicht zum regelmäßigen Schulbesuch“, so Ralf Feldmann, „stehen auf Seiten der Schülerinnen und Schüler die demokratischen Urrechte der Versammlungs- und Meinungsfreiheit (Art. 8 und 5 GG). Versammlungsfreiheit und Schulpflicht sind mindestens gleichwertig. Dem müssten die Schulleitungen vor die Frage gestellt, ob sie SchülerInnen für eine Demonstration beurlauben können, gerecht werden. Zu den Lernzielen des Schulgesetzes gehöre, die grundlegenden Normen des Grundgesetzes zu verstehen und für die Demokratie einzutreten. Die zeitweise Beurlaubung von der Schulpflicht zur Ein- und Ausübung demokratischer Urrechte ist learning by doing.“
Die Schulministerin nähert sich dieser Auffassung offenbar an. Sie unterstreicht in ihrer Antwort zwar durchaus die grundsätzliche Pflicht, regelmäßig am Unterricht teilzunehmen, erkennt jedoch ebenfalls die Möglichkeit der Beurlaubung zu Demonstrationen an: “Die Teilnahme an Schülerstreiks und Demonstrationen während der Unterrichtszeit ist daher nur zulässig, soweit Schulleitungen vor der jeweiligen Veranstaltung auf Antrag gemäß § 43 Absatz 3 Schulgesetz eine Beurlaubung für die Teilnahme ausgesprochen haben.“
Diese Aussage findet sich – etwas verwinkelt formuliert – auch am Ende der rechtlichen Hinweise zum Schülerstreik im NRW-Internet-Bildungsportal. “Bis dahin lesen die Schulleitungen oft gar nicht“, fürchtet Ralf Feldmann, “und am Anfang stehen immer noch die schweren Geschütze aus den Zeiten der CDU/FDP-Regierung, wonach die Schulpflicht vorrangig, die Teilnahme an einem Schülerstreik unzulässig und nicht mitgeschriebene Arbeiten mit ungenügend zu bewerten seien. So laviert die grüne Schulministerin zwischen konservativen Erwartungshaltungen und einem bisschen Streik durch die Hintertür der Beurlaubung. Wenn schon Revolution, dann nur mit Bahnsteigkarte: Ist dieses altdeutsche Motto nun grün?“
In Köln nahmen ganze Klassen am letzten Bildungsstreik teil. “Offenbar wurde dort kollektiv beurlaubt“, vermutet Ralf Feldmann. “So kann es beim nächsten Mal auch in Bochum laufen. Ich hoffe auf viele Grundrechtsfreunde in Bochumer Schulleitungen.“
Demonstrations-Fehlstunden werden auf Abschlusszeugnissen nicht vermerkt. Das, so die Ministerin in ihrer Antwort, ist nach der Änderung des Schulgesetzes vom Dezember 2010 ausgeschlossen. Immerhin.«
Die Antwort des Schulministeriums.