Montag 12.12.11, 17:41 Uhr
Nazi-Firma auf dem Bochumer Weihnachtsmarkt?

Brauner Zucker 1


Die Bochumer Stadt- und Studierendenzeitung macht in ihrer am Mittwoch erscheinenden Ausgabe auf einen Skandal beim Bochumer Weihnachtsmarkt aufmerksam. Die Bochum Marketing GmbH, welche für die Weihnachtsmarkt-Stände zuständig ist, hat offensichtlich nicht das geringste Problem damit, dass die Firma eines aktiven Nazis hier sein Geschäft betreibt. Die BSZ-Recherche im Wortlaut: »„Wir sind Bochum. Nazis sind es nicht.“ So prangte es lange Zeit gut sichtbar am Bochumer Rathausgebäude auf einem Transparent. Die Botschaft: Alte und neue Nazis müssen von der Zivilgesellschaft isoliert und bekämpft werden. Denn sie sind nicht nur eine Gefahr für die Demokratie, sondern auch schlecht fürs Geschäft. Antifaschismus als Imagekampagne sozusagen. Doch wie ernst zu nehmen ist dieses Bekenntnis, wenn Nazis die Zivilgesellschaft unterwandern?
Wer dieser Tage über den Bochumer Weihnachtsmarkt schlendert, kann sich vor wohlschmeckenden Kalorienbomben kaum retten. Zwischen fettigen Fischspezialitäten, glasierten Bratäpfeln und traditionellen Crêpes-Ständen fällt die Wahl nicht immer leicht. Inmitten der kulinarischen Reizüberflutung bleibt manchem Bochumer allerdings der Bissen im Halse stecken. Mit dem Süßwarenstand Nr. 502 der Wittener Firma Osella am Husemannplatz, hat sich ein Aussteller zum harmonischen Vorweihnachtsbetrieb gesellt, der so gar nicht zum von der Stadtverwaltung formulierten anti-rechten Selbstverständnis der Stadt passt.

Chef von Osella ist der Wittener Unternehmer Detlef Hartmann. Dieser trat zur Bundestagswahl 2009 als Direktkandidat im Wahlkreis 104 Solingen/Remscheid/Wuppertal II für die NPD an. Auf seinem Firmengelände, auf dem unter anderem eine große schwarz-weiß-rote Fahne weht, finden nach Informationen aus Antifa-Kreisen des öfteren Feste und Grillpartys der NPD und neonazistischen Kameradschaften aus der Region statt. Auf der Website von Osella finden sich, neben einer Todesanzeige für die D-Mark und ein wenig Geschichtsklitterung zu Gunsten „des deutschen Volkes“, Informationen über die deutschlandweite Verbreitung der firmeneigenen Verkaufsstände. Neben der Cranger Kirmes und mehreren Weihnachtsmärkten befinden sich die Stände deutschlandweit an prominenten Stellen, wie etwa dem Frankfurter Hauptbahnhof und dem Münchener Ostbahnhof. Hartmann war außerdem Star einer Folge der VOX-Serie „Die Küchenchefs“ im Jahre 2009. Seine damalige Pizzeria „La Osella“, direkt gegenüber dem Firmengelände, wurde von drei Profi-Köchen einer kritischen Bilanz unterzogen. Als allerdings bekannt wurde, dass Hartmann aktives NPD-Mitglied ist, entschied sich der Sender konsequenterweise gegen die Ausstrahlung der Folge.

Auch im Bochumer Rewir-Power Stadion war Hartmann mit seinen „altdeutschen Bonbon-Spezialitäten“, auf diese Formulierung wird Wert gelegt, vertreten. Beim VfL allerdings weiß man davon offiziell nichts. Man habe einen Exklusivvertrag mit der Firma Aramark. Nach bsz-Informationen soll diese Firma bis vor kurzem noch mit Osella kooperiert haben. Doch nun habe man „alle Verträge mit Osella gekündigt“, heißt es. Auch dürfe Osella den Namen „VfL Bochum“ nicht mehr für Werbezwecke nutzen. Für eine Stellungnahme war Aramark bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Bei der Bochum Marketing GmbH, welche für die Weihnachtsmarkt-Stände zuständig ist, scheint sich das städtische Motto wider die FaschistInnen noch nicht so recht herumgesprochen zu haben. „Ist die NPD eine verbotene Partei?“, fragt Thomas Weckermann, Prokurist bei Bochum Marketing, rethorisch gegen. Ein Problem, gerade auch vor dem Hintergrund der durch Naziterror neu angestoßenen NPD-Verbotsdebatte, will er bei der Zusammenarbeit mit dem braunen Geschäftspartner nicht erkennen. „Wir bleiben auf dem Boden der Rechtsstaatlichkeit. Wenn konkrete Straftaten vorlägen, würden wir reagieren.“ Konsequenzen will man also, trotz klarem städtischem Statement, nicht ziehen. Und so wird Osella den BochumerInnen vorerst erhalten bleiben. Wer eine Kostprobe des nationalistischen Naschwerks erhalten will, dem weist Hartmann in einer internen Email den Weg: „ In Bochum am Glas Cafe steht links unser grösstes Geschäft und dort produzieren wir auch unsere Cachou Bonbons.“ In antifaschistischen Kreisen werden schon Forderungen nach Karamellisierung des braunen Zuckers laut.«


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