Montag 29.08.11, 13:25 Uhr
Der Anfang vom Ende oder Neubeginn ?

Quo Vadis Zwischenfall 1


Radio El Zapote schreibt: »Zwischenfall, schon immer als ein provokativer Begriff im wahrsten Sinne des Wortes zu werten und aktuell von einem verheerenden Brand in gleichem Wohnhaus heimgesucht. Fakt ist: an dieser Stelle geht nix mehr. Doch schauen wir zurück in das Jahr 1987. Denn zu dieser Zeit begab es sich, daß einige Leute an die Betreiber mit der Utopie herantraten, sich kultur-politisch einmischen zu wollen. Dort fanden sie offene Ohren für ihr Anliegen. Mit dem Konzept bezahlbarer Konzerte sowie ein Podium in Fragen sich einer baldigst rasanter entwickelten Konzertpraxis zu finden. Das Kollektiv des Bhf.-Langendreer suchte nach Selbstfindung und war mit dem Umbau des Bhfs. beschäftigt, Rotthaus schon lange geschlossen, das besetzte Häusner Viertel abgerissen und Geschichte. In diesen Tagen gründete sich auch der “ Harte Chor „, oben schon kurz angerissen, eine autonome Kulturgruppe aus Bochum, die sich als ein Standbein zum Ziel setzte Kultur und Poltik miteinander zu verknüpfen. Als weiterer Aktionismus dieser Gruppe waren die monatlichen Radiosendungen bei der Ruhrwelle wahrzunehmen.
Sie sahen die Begrifflichkeit “ Der Harte Chor “ als ein Wortspiel auf das teils dümmliche Gehabe, z.B. Straight Edge und dessen dogmatische Herangehensweise, der damaligen Hardcore-Szene. In finanziellen Fragen autonom, und gleichwohl politisch: anti-rassitisch/- faschistisch sowie solidarisch mit Flüchtlingen, so das Konzept des Harten Chors. Als ersten Testballon fand ein Konzert im Mai 1988 mit EA 80, Fluchtversuch und LUL/NL statt. Mit 450 BesucherInnen sehr gut angenommen, aber schon fast am Limit der Kapazität des Zwischenfalls angekommen. Schon damals und immer wieder danach gab es allerdings auch Aussagen wie diese: “ Wie könnt ihr in diesem Laden Konzerte veranstalten?, das ist doch ein Gruftie-Schuppen “ ( als seinen diese keine Menschen, sondern Außerirdische). Für den Harten Chor war die friedliche Ko-Existenz nie ein Widerspruch, wichtiger waren da eher die Inhalte, die es in s ZFall heinein zu tragen galt. Immer wieder, fast gebetsmühlenartig, wurden über die Anfangsjahre diese Klischees der Ablehnung und Phobie vor dem Anderssein im Kontext ZFall reproduziert. Mitte der 90er Jahre gründete sich sogar eine Bürgerinitiative im Stadtteil, die die SPD anging, die endlich diesem Treiben einen Riegel vorzuschieben habe. Gesagt-getan, Sperrstunde erhielt Einlaß, 1:00 Tür zu. Wie sich die SPD instrumentalisieren ließ, macht ein weiteres Beispiel evident: so berichtete die WAZ damals, OB Heinz Eickelbeck habe mit Fernglas im Gebüsch gestanden und dort Sex unter Laternen, Sargtransporte für Schwarze Messen usw. in das Zfall beobachtet. Das Ganze eine Farce und an Absurdität nicht zu überbieten. Eine Diffamierungskampagne, die seines Gleichen sucht. Aber wo Konfrontation, da entsteht bekanntlicherweise auch Widerstand. Durch vorzügliche Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen und einer breiten Solidarität der bundesweiten BesucherInnen des Szene-Treffs konnten auf Gesprächsbene Erfolge erzielt werden, allen Runden Tischen, Stadtjugendring und SPD zum Trotz, die Sperrstunde wurde aufgehoben. Der Harte Chor war mit 3-4 Konzerten im Monat und Internationalen Bands wie Gorilla Bisquits, The Gits, DI oder Vernon Walters weiterhin präsent. Später löste sich diese Gruppe in freundschaftlichen Bezügen auf, es entstanden Radio Bonte Koe und das Zarte Ohr. Letztere verschrieben sich einem feinen Programm mit Bands aus Ost-Europa: Jablkon, Kampec Dolores seien u.a. hier die Stichworte.
Von Beginn an wurde bei allen Konzerten ein politischer Büchertisch, namens Notstand – ja der -, präsentiert, und rückblickend betrachtet, waren es die wohl besten Zeiten, die dieses Projekt je erlebt hat. Die BesucherInnen zeigten Interesse und unterstützten mit dem vielfältigen Kauf von Büchern, Broschüren, Aufklebern, Buttons, Nika- Soli-Kaffee, usw.! Agit-Prop auf kultureller Ebene. Auch wer das schöne Leben liebte, hatte keinen Bock auf Nazis.
Doch auch diese ließen sich 19998 am ZFall sehen, um nach( bekannter) deutscher Gründlichkeit gegen Menschen vorzugehen, die nicht in ihr kleingeistiges Weltbild passen. Der BVB spielte gegen Eintracht Frankfurt. Nach dem Kick liefen SS Sigi und Kumpane der Borussen- und Adler-Front in Langendreer auf, um das Zfall und Gäste aufzumischen. Durch Entschlossenheit der Betreiber und Partizipation des Publikums überhaupt konnte dieser Angriff abgewehrt werden. Gerannt sind die Nazis wie die Hasen, sich selbst der Lächerlichkeit preisgebend. Vor Rückfahrt nach Dortmund flogen zwar noch Steine von der S-Bahnbrücke, aber verletzt wurde niemand. Die Ordnungskräfte tranken „Tee“ und waren kaum zu sehen,wie immer in dieser Konstellation.
Eine weitere Geschichte, die nicht unerwähnt bleiben soll, ist die Verhinderung des Konzertes mit Fourthcoming Fire Ende der 90er Jahre im Zfall. Durch lokale Antifa-Strukturen wurden die Betreiber informiert, daß diese Band, u.a. Bandleader Josef Klumb, auch bekannt von Weissglut und Von Thronstahl, menschenverachtende Lyrics und rechtsradikales Gedankengut bei dem Auftritt verbreiten werde. Auch hier fanden Antifas offene Ohren bei der Zfall-Crew, denen diese Inhalte unbekannt und darüber hinaus qua Band mit einem hoch dotierten Vertrag ausgestattet waren, der bei formeller Absage hätte bezahlt werden müssen. So wurde sich dahingehnd verständigt die Bühne zu besetzen und per Redebeitrag auf die Combo hinzuweisen. Gesagt und getan. Die BesucherInnen bekamen ihr Geld zurück, Fourthcoming-Fire spielten nicht. Neben einigen Rufen, die Antifas seien Links-FaschistInnen,kam es sonst zu keinem weiteren Zwischenfall mehr. Um auf diese Problematik in der Dark-Wave-Szene hinzuweisen, fand zeitnah eine Veranstaltung mit Alfred Schober, der nicht mehr unter uns weilt, vom DISS, Duisburg, statt, die ganz ausgezeichnet besucht war. Nicht nur die Verhinderung des Konzertes hat hier einen hohen Stellenwert, sondern die gleichzeitige Öffentlichkeitsarbeit mit: Warum und Weshalb.
Mit dem Zfall fehlt nun ein ein subkultureller Schmelztiegel in Langendreer. Wir hoffen auf die Kraft, Motivation und das Glück für die Betreiber eine neue Räumlichkeit im Stadtteil zu finden, denn ohne diesen Laden fehlt ein Großteil an kultureller Partizipation mit Tanz, Konzerten aus Industrial, EBM, Wave, Punkrock oder Weltmusik, die es letztlich ja auch hin und wieder gegeben hat.
In Zeiten aufkommmender Nazi-Strukturen in Langendreer wäre ein neues ZFall dringlich von Nöten, um diesem Vorhaben gemeinsam entgegen treten zu können.
Wir wünschen viel Erfolg und senden unsere solidarischen Grüße und Wünsche.
Übrigens: das Zfall befindet sich derzeitig angesichts geplanter Konzerte im Exil.
Morgen, Dienstag, 30.8 / 20:00 spielen THE DEADLINE /USA, Punkrock mit Rock n Roll-Einflüssen und THE AGITATORS / Punkrock im Bhf.-Bochum-Langendreer, Halle! 5,- Solibeitrag!
Lasst euch sehen: Solidarität ist die Kraft der Veränderung!«


Ein Gedanke zu “Quo Vadis Zwischenfall

  • Komisches Konzert

    Zunächst einmal: Volle Solidarität mit dem Zwischenfall – hoffentlich gibt’s bald die Möglichkeit den Laden an anderer Stelle neu aufzubauen. War immer gerne da – zu letzt auf dem NoMeansNo-Konzert letztes Jahr.

    Aber das Konzert mit „Deadline“ und den „Agitators“ wirkt bei der näheren Betrachtung leider etwas suspekt.
    2002 haben diese beiden Bands bereits zusammen ein Konzert gespielt, damals aber nicht im linken Bf Langendreer, sondern in der Nazi-Kneipe „De Kastelein“ in belgischen Brügge (Mehr Infos: http://oireszene.blogsport.de/2011/02/18/aus-dem-skincafe-de-kastelein-wird-die-molokobar/).
    „Deadline“ haben sich danach wohl (auch mehr oder weniger glaubhaft) von diesem Auftritt distanziert, aber das folgende Interview macht einem die Band (die sich als explizit „unpolitisch“ versteht) dann auch nicht sympathischer:
    http://www.turnitdown.de/137.html

    Trotzdem war ich nach der Lektüre noch nicht vollständig überzeugt, dass das Konzert im Bf Langendreer wirklich problematisch ist – ist schließlich schon 9 Jahre her. Was mich allerdings wirklich stutzig gemacht hat war die Website der „Agitators“ (http://www.agitatorsstreetpunk.com/) – dort finden sich neben der Ankündigung für das Konzert im Bahnhof auch Plakte für weitere Konzerte, die die „Agitators“ dieses Jahr spielen werden – unter anderem mit Bands wie „Booze & Glory“, „Streetpunk Drunks“ und „Pressure 28“ – Mehr Infos hier:
    „Pressure 28“: http://oireszene.blogsport.de/2010/02/17/pressure-28-uk/
    „Booze & Glory“: http://oireszene.blogsport.de/2010/11/04/booze-glory-londonuk/

    Zumindest geht aus den Plakaten hervor, dass „Pressure 28“ noch 2010 in dem besagten Nazi-Laden in Brügge gespielt haben (mittlerweile heißt der „Moloko-Bar“)…
    Naja, ich will an dieser Stelle nicht behauptenn, dass es sich bei „Deadline“ oder „The Agitators“ um Nazis handelt, was wohl auch nicht stimmen würde – aber mir persönlich fehlt es an dieser Stelle ganz klar an Abgrenzung zu rechten Bands und Strukturen. Deswegen bleibe ich heute zu Hause.

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