Freitag 22.04.11, 09:54 Uhr

Wider das „Zentrum gegen Vertreibung“


„Was haben die Polen bloß gegen diese Frau?“, titelte die Bild-Zeitung im Februar 2009. Gemeint war Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), die sich damals anschickte einen Sitz im Rat der neu gegründeten Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ einzunehmen. Hiermit beschäftigt sich am Dienstag, den 26. April um 19.00 Uhr eine Veranstaltung des AStA der Ruhr-Uni im Rahmen der Reihe Politischer Dienstag. In der Ankündigung heißt es: »Die Vorbehalte gegen Steinbach – zunächst vor allem aus Polen geäußert – stießen hierzulande auf eine Mischung aus Unverständnis und aggressiver Abwehr. Schließlich war es Steinbach gewesen, die die Vertriebenenverbände aus der rechten „Schmuddelecke“ herausgeholt und wieder salonfähig gemacht hatte. Die erwähnte Stiftung war ihr Meisterstück – 2000 hatte sie unter dem Namen „Zentrum gegen Vertreibungen“ erstmals eine zentrale nationale Erinnerungsstätte für die deutschen Vertriebenen gefordert – ein Schelm, wer dabei an das kurz zuvor beschlossene Holocaust-Mahnmal denkt. Doch der Streit um die Person Erika Steinbach und um das Vertreibungszentrum ist letztlich nur die Spitze des Eisberges. In der öffentlichen Erinnerung wird „die Vertreibung“ – als habe es in der Weltgeschichte nur eine einzige gegeben – einerseits aus dem historischen Kontext des deutschen Vernichtungskriegs herausgelöst und andererseits durch vielfältige Analogisierungen moralisch auf eine Stufe mit dem Holocaust gestellt. Vielfach werden deutsche Opfer besonders hervorgehoben und mehr oder weniger bewusst falsche Opferzahlen verbreitet. Das ist beileibe keine neue Masche. Schon 1950 bezeichneten sich die Vertriebenenverbände in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen als die „vom Leid dieser Zeit am schwersten Betroffenen“. Bis heute wird diese Charta als Wertegrundlage (BdV) und als „Grundstein der Verständigung“ (Ex-Innenminister de Maizière) gefeiert; erst im März 2011 sprach die ARD bei ihrem Zweiteiler „Fremde Heimat“ von der Vertreibung als der „größten ethnischen Säuberung in der europäischen Geschichte“ – als habe es die industrielle Massenvernichtung der europäischen Juden nie gegeben.
In dem Vortrag soll u. a. auf die folgenden Fragen eingegangen werden:

  • Was macht eigentlich die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“, wer sitzt dort und was ist der Unterschied zum „Zentrum gegen Vertreibungen“?
  • Wer ist Erika Steinbach und was macht ihr Bund der Vertriebenen (BdV)?
  • Welche historischen Ereignisse sind mit „Flucht und Vertreibung“ gemeint – und welche nicht? Wer gilt hierzulande überhaupt als „Vertriebener“?
  • Warum wurde das Thema in der letzten Zeit so aktuell und was hat das Vertreibungszentrum mit den deutsch-polnischen Beziehungen zu tun?
  • Gab es wirklich jemals ein Tabu, über dieses Thema zu sprechen?

Der Referent ist vom Arbeitskreis Geschichtspolitische Interventionen (AGI) in Berlin. Der AGI hat im Juni 2009 eine Podiumsdiskussion zum geplanten Vertreibungszentrum organisiert und 2010 die Broschüre „Jenseits von Steinbach“ herausgegeben, die auf der Website http://agi.blogsport.de/ heruntergeladen werden kann.«