Mittwoch 21.07.10, 18:35 Uhr
WAZ-Bericht über den Tortenprozess:

Gericht: Tumult um Bochumer Tortenprozess


Bochum, 21.07.2010, Andreas Bartel
Bochum. Weil sein Plakat zu Straftaten gegen Nazis aufrufe, wurde Martin Budich, der verantwortliche Redakteur von bo-alternativ.de, zu 1500 Euro Geldstrafe verurteilt. Der Angeklagte übte scharfe Kritik an der Staatsanwaltschaft.
Solche Szenen erlebt man im Bochumer Gerichtsgebäude auch nicht jeden Tag. Immer wieder wurde die Verhandlung im voll besetzten Gerichtssaal von Applaus, Gelächter und Zwischenrufen gestört. Worte wie „unglaublich“, „Skandal“, oder „haltlos“ waren zu hören. Dabei ging es eigentlich nur um eine auf den ersten Blick harmlos wirkende Torte – doch die hatte es ganz schön in sich, wie die Staatsanwaltschaft befand. Das Gericht folgte der Argumentation und verurteilte den Angeklagten zu 1500 Euro Geldstrafe.
Mit seinem Aufruf auf diesem Plakat habe Martin Budich Gewalttaten gegen Nazis zumindest billigend in Kauf genommen, argumentierte die Staatsanwaltschaft. Mit seinem Aufruf auf diesem Plakat habe Martin Budich Gewalttaten gegen Nazis zumindest billigend in Kauf genommen, argumentierte die Staatsanwaltschaft.
Die Richterin sah es als erwiesen an, dass es sich bei der Torte nämlich nicht um eine harmlose Kalorienbombe handelte, sondern um einen ernsthaften Aufruf zu Gewalt. Um auf die Gegendemonstration zu einem NPD-Aufmarsch im Oktober 2008 aufmerksam zu machen, veröffentlichte Martin Budich, der verantwortliche Redakteur von bo-alternativ.de, ein Plakat mit einem Cartoon auf der Internetseite. Darauf ist unter dem Slogan „Kein Zuckerschlecken für Nazis“ die Comicfigur „Bomberman“ mit einer Torte samt brennender Wunderkerze in der Hand zu sehen. Darunter noch der Aufruf: „25.10.2008 NPD-Aufmarsch verhindern!“ (s. Foto).
Vorwurf: Gewalttaten gegen Nazis billigend in Kauf genommen
Die Staatsanwältin erkannte statt der Wunderkerze jedoch eine brennende Lunte in der Hand der Figur. Deren Gefährlichkeit machte die Richterin zudem am breitbeinigen Gang und den heruntergezogenen Augenbrauen fest. Mit seinem Aufruf habe Martin Budich Gewalttaten gegen Nazis zumindest billigend in Kauf genommen.
Während der Kundgebung am 25. Oktober 2008, so die Staatsanwältin, habe man dann auch eine „aggressive und gewaltbereite Grundstimmung“ unter den Demonstranten ausgemacht. Mögliche Straftaten seien nur durch die starke Polizeipräsenz sowie rigorose Absperrmaßnahmen verhindert worden. Später bedankte sich die Polizei in einer Pressemitteilung allerdings ausdrücklich für den friedlichen Verlauf der Demo. Sie hatte bei Leibesvisitationen der Teilnehmer auch keine Waffen gefunden.
Angeklagter spricht von „Rufmordkampagne“
Budich versuchte zunächst, den Vorwürfen mit Humor zu begegnen: „Dann hätte ich ja vergeblich zu Gewalt aufgerufen“. Später griff er Staatsanwaltschaft und Gericht jedoch mehrfach an, sprach von einer „Rufmordkampagne“. Er wisse zudem, dass man Nazis nicht mit Gewalt stoppen könne. „Ich müsste politisch unerfahren und dumm sein, würde ich zu Gewalt aufrufen“, so Budich. Das Urteil nahm er äußerlich zwar gefasst und gelassen auf, fühlte sich aber „sehr ungerecht behandelt“. Er will Berufung einlegen.
Justiz
Unterstützung erhält er dabei auch von seinen Mitstreitern. Uli Borchers von Bochum gegen Rechts sieht in dem Urteil einen Rückschlag für die linke Szene, Michael Hermund vom DGB ist schlicht „entsetzt“. Hier sei fatale „Rechtsgeschichte“ geschrieben worden. Annemarie Grajetzky vom Friedensplenum kann nicht verstehen, dass die NPD mit Schriftzügen wie „Multikulti ist Völkermord“ durch Bochum ziehen dürfe, der Widerstand gegen Rechts aber verboten werde. Dies sei ein „Schlag gegen das demokratische Bochum“.

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Erst Freispruch vom Amtsgericht

Interessant: Der Sachverhalt um den „Bomberman“ wurde eigentlich bereits vor einem Jahr vor dem Bochumer Amtsgericht verhandelt. Dabei wurde Budich freigesprochen. Offenbar unzufrieden mit dem Urteil, schaltete die Staatsanwaltschaft das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm ein.

Dieses bemängelte die lückenhafte Urteilsbegründung und gab den Fall nun an eine andere Abteilung des Bochumer Amtsgerichts zurück. Mit Erfolg…

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