Mittwoch 28.10.09, 18:00 Uhr

Schwarz-gelber Koalitionsvertrag bereitet Mieterverein Sorgen


Die Kanzlerin ist vereidigt, die Regierung steht. Was die neue Koalition in Berlin aber zum Thema Wohnungspolitik beschlossen hat, bereitet dem Bochumer Mieterverein arges Kopfzerbrechen. In einer Stellungnahme heißt es: „Obwohl viele Vereinbarungen sehr vage formuliert sind, deuten sich massive Verschlechterungen für Mieter an. Es beginnt schon damit, dass die Koalition die Kündigungsfristen für Mieter und Vermieter wieder vereinheitlichen will. Seit der Mietrechtsreform von 2001 betragen sie für Mieter generell drei Monate, für Vermieter jedoch drei, sechs oder neun Monate, je nachdem, wie lange der Mieter dort wohnt.“ Mietervereins-Pressesprecher Aichard Hoffmann: „Für Mieter ist die kurze Frist wichtig, da in der heutigen Arbeitswelt immer stärker Mobiltilät gefragt ist. Ein vergleichbar wichtiges Interesse für Vermieter fehlt. Eigenbedarf zeichnet sich nur in wenigen Fällen so kurzfristig ab, dass man es nicht neun Monate vorher weiß. Und bei Zahlungsverzug und anderen schlimmen Dingen kann der Vermieter ja ohnehin fristlos kündigen.“

Gerade für langjährige Mieter aber sei es wichtig, länger vor Kündigungen geschützt zu sein. „Wer nach über 8 Jahren Mietdauer eine begründete Eigenbedarfskündigung bekommt, hat jetzt 9 Monate Zeit, sich nach einer geeigneten Ersatzwohnung umzusehen. Wenn diese Frist nun auf 3 Monate verkürzt wird, werden viele Familien und ältere Menschen hilflos überfordert sein, auf die Schnelle zumutbaren Ersatzwohnraum zu finden.“

Räumungsschutz:
Außerdem möchte die Koalition Räumungsverfahren beschleunigen, um Vermieterrechte gegen sogenannte „Mietnomaden“ zu verbessern. Hoffmann: „Wer wegen bundesweit maximal 10.000 Fällen sogenannten Mietnomadentums Räumungsfristen verkürzen will, spielt mit Feuer. Es ist schwer vorstellbar wie ,Mietnomadentum‘ durch die schon jetzt überforderten Gerichte von schlichter Zahlungsunfähigkeit und anderen Gründen für eine Räumungsklage unterschieden werden soll. Eine Beschleunigung des Vollzugs von Räumungsklagen kann sehr schnell zu zusätzlicher Obdachlosigkeit führen. Wir brauchen keine Aushöhlung des Räumungsschutzes, sondern Verbesserungen der Wohnungshilfe.“
„Anstatt um die 10.000 ,Mietnomaden‘ sollte sich die Koalition besser um die über 700.000 Wohnungen kümmern, die in die Hände von VERMIETnomaden gefallen sind.“ Finanzinvestoren, die die von ihnen aufgekauften Wohnungsunternehmen ausplündern und so schnell wie möglich ihr Kapital wieder abziehen, seien zu einer Gefahr für zahlreiche Siedlungen geworden. In vielen Fällen seien wichtige Reparaturen oder Abrechnungen bei mehr oder weniger bankrotten und in Steueroasen verschollenen „Heuschrecken“ nicht mehr durchsetzbar.

Hartz IV:
Die Koalition möchte die „Kosten der Unterkunft“ pauschalieren. Für Miete, Heiz- und Nebenkosten werden dann nicht mehr die Kommunen die Angemessenheitsgrenzen festlegen, sondern die Bundesregierung. Regionalen Preisdifferenzen wird dann nur noch grob Rechnung getragen, etwa wie durch die Mietenstufen beim Wohngeld. Hoffmann: „Ein zweischneidiges Schwert. In Kommunen, die bisher knauserig waren, kann das eine Verbesserung bedeuten. Gerade in Bochum sind aber seit der Einführung von Hartz IV mehrfach Verbesserungen beschlossen worden, die dazu geführt haben, dass weniger Mieter von Zwangsumzügen betroffen waren. Die drohen jetzt unter den Tisch zu fallen.“
Außerdem sollen die Kosten der Unterkunft künftig direkt von der ARGE an den Vermieter gezahlt werden. „Ein klarer Fall von Entmündigung“, meint der Mieterverein. „Schon heute ist es schwierig, Langzeitarbeitslose beispielsweise zu einer Mietminderung zu bewegen, wenn die Wohnung Mängel hat. Sie haben ja nichts davon, denn die ARGE fordert die gesparten Beträge natürlich ein. Künftig wird das gar nicht mehr passieren, denn der Mieter müsste erst die ARGE überreden, die Miete zu kürzen. Die ist damit juristisch überfordert und wird auch wenig Neigung verspüren, sie Streit einzuhandeln. So wandert unnötig viel Steuergeld in Vermietertaschen.“

Höhere Gebühren:
Die Steuerbefreiung für kommunale Unternehmen soll wegfallen mit der Folge, dass Straßenreinigung, Müllabfuhr und Entwässerung mehrwertsteuerpflichtig werden. Der Mieterbund fürchtet Kostensteigerungen von durchschnittlich 100 ? pro Haushalt und Jahr. Das allerdings bestreitet die Bundesregierung. Hoffmann: „Das soll sie mal vorrechnen, wie die Unternehmen das machen sollen, 19 % Steuern aufzufangen, ohne die Gebühren zu erhöhen. Die Regierung schielt natürlich auf private Entsorger, die schon heute steuerpflichtig, aber nicht teurer sind. Nur muss man sich bei denen mal das Lonhniveau ansehen!“
Dies ist nur ein kleiner Ausschnitt der geplanten Verschlechterungen. Darüberhinaus sollen zum Beispiel Mieterrechte zur Mietminderung bei energetischen Modernisierungen beschnitten, REITs doch noch auf dem Wohnungsmarkt eingeführt, und ein kompletter Ausstieg des Bundes aus der sozialen Wohnraumförderung geprüft werden. Fazit des Mietervereins: „Mit diesem Plänen ist ein viele Jahre währender Burgfrieden in der Wohnungspolitik gebrochen. Wir werden uns auf harte Abwehr-Kämpfe einstellen müssen – die Regierung aber auch auf energischen Widerstand.“