Dienstag 15.09.09, 12:00 Uhr

ARGE stellt Hilfesuchende an den Pranger


Sozialberatung Ruhr nimmt noch einmal die bereits von der Unabhängigen Sozialberatung geäußerte Kritik einer Praxis der ARGE ausführlich auf und schreibt: »In der WAZ vom 09.09.2009 sowie dem 10.09.2009 befanden sich insgesamt 39 Benachrichtigungen der ARGE Bochum an Hilfesuchende. Im Wesentlichen handelte es sich um Bescheide über die Aufhebung und Rückforderung von Leistungen, z. T. aber auch um die Mitteilung zur darlehnsweisen Bewilligung von Mietkautionen. Im Text der Benachrichtigung wird ausdrücklich Bezug genommen auf § 10 Abs. 2 Landeszustellungsgesetz NRW. Eine Bezugnahme auf dieses Gesetz steht der ARGE Bochum jedoch nicht zu, da gem. § 1 Abs. 1 LZG NRW dieses Gesetz nur für das Zustellungsverfahren der Behörden des Landes, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt. Finanzbehörden sind hierbei ausgenommen.

Die ARGE Bochum ist weder eine Behörde des Landes noch der Gemeinde, sondern eine verfassungswidrige Mischverwaltung wie wir seit der entsprechenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wissen. Es ist rechtlich höchst fraglich, ob die gewünschte Rechtsfolge, nämlich Zustellung des Bescheides durch die öffentliche Bekanntmachung, überhaupt bewirkt werden konnte, in jedem Fall war dies recht teuer. Unabhängig von der rechtlichen Bewertung ist dies auch politisch höchst fragwürdig, wenn man fast 40 Personen mit Namen, Geburtsdatum und letzter Anschrift sowie der Benennung des Geschäftszeichens in der Zeitung veröffentlicht. Im Bereich unseres Vereins ist dies jedenfalls nach unserem Kenntnisstand noch nicht vorgekommen und wir vermögen auch nicht zu erkennen welchen Sinn eine solche Anprangerung der verschiedenen Personen haben soll. Beratung Montag und Donnerstag 14.15 bis 16.00 Uhr Tel. 0171 / 4 27 07 08 – 2 – Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass nunmehr alle Personen in Bochum wissen, wer u. a. Leistungen gem. SGB II bezieht, bezogen bzw beantragt hat und dies mag Auswirkungen darauf haben, ob die entsprechenden Personen irgendwo noch eine Wohnung anmieten können bzw. sich erfolgreich auf eine Arbeitsstelle bewerben können. Wer erst einmal so stigmatisiert worden ist, dem dürfte das Leben deutlich schwerer gemacht worden sein.
Ursprünglich war die Grundintention bei der Einführung des SGB II die Beschleunigung der Vermittlung in eine geregelte Arbeit. Warum die ARGE Bochum meint, dass dieser Zweck durch Stigmatisierung erreicht werden kann, ist nicht nachvollziehbar. Die ARGE Bochum wird auf der einen Seite von entsprechenden Personen aus der BA kontrolliert und auf der anderen Seite von der Stadt Bochum. Die Politiker sind aufgefordert, dieser verfassungswidrigen Mischverwaltung auf die Finger zu schauen, da sie bereits in mehreren Punkten ihre Kompetenzen überschreitet. Dies gilt nicht nur für die Zustellung nach dem LZG NRW wie im vorliegenden Fall, sondern z. B. auch insofern, als Vermietern ein Bußgeld angedroht wird, wenn sie eine Vermieterbescheinigung nicht ausfüllen. Die ARGE ist jedoch gar nicht befugt, ein entsprechendes Bußgeld zu verhängen, da dies ausschließlich der Wohngeldstelle zusteht.
Das interessiert die ARGE Bochum aber nicht sonderlich. Nach diesseitiger Auffassung liegt ein massives Aufsichtsverschulden der die ARGE Bochum betreibenden beiden Behörden, sprich Stadt Bochum und BA, vor. Diese sind aufgerufen, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und darauf zu drängen, dass geltendes Recht auch eingehalten wird.
Abschließend sei noch auf ein besonderes rechtliches Bonbon hingewiesen: Die Benachrichtigungen sind unterzeichnet mit „Der Geschäftsführer: i. A. Schneider“. Der Geschäftsführer der ARGE Bochum heißt Torsten Withake und ist offensichtlich nicht identisch mit „Schneider“. „I. A.“ bedeutet „im Auftrag“ im Gegensatz zu „i. V.“ = „in Vollmacht“. „I. A.“ wird klassischerweise als sog. Erklärungsbote angesehen, d. h. eine Person, die keine eigene Willenserklärung abgibt, sondern lediglich die Willenserklärung einer anderen Person überbringt. Eine Erklärung „i. A.“ hat insofern keinerlei Rechtswirkung, da § 164 BGB nicht eingreift, weil dieser lediglich die Handlungen des Vertreters legitimiert und nicht des Boten. Die ganze Aktion war nach diesseitiger Auffassung rechtswidrig, sie kann den gewünschten Rechtserfolg, d. h. die öffentliche Zustellung, nicht bewirken und teuer war sie auch noch. Ob solche völlig kontraproduktiven und sinnlosen Aktionen noch im Interesse des Steuerzahlers sind, mag jeder Einzelne selbst entscheiden.«