Montag 20.07.09, 20:00 Uhr

Finanzskandal und Heusnerviertel-Abriss


Jüngere LeserInnen werden wahrscheinlich etwas verwundert sein, mit wie viel Spott und Schadenfreude einige Altlinke zurzeit auf den jüngsten Finanzskandal in Bochum reagieren. Der Landesrechnungshof fordert schließlich von der Stadt, dass sie Bundes- und Landeszuschüsse in Höhe von ca. 30 Millionen Euro für den Bau der Westtangente zurückzahlt. Dem Ausbau der Westtangente war vor 25 Jahren eine der heftigsten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen im Nachkriegs-Bochum vorausgegangen. Für den Bau der Stadtautobahn waren Häuser auf der geplanten Trasse „leergezogen“ worden. Als sich der Bau der Straße verzögerte und die Wohnungsnot der Studierenden dramatische Züge annahm, wurden die Häuser befristet an StudentInnen vermietet. Als der Bau der Stadtautobahn beginnen und die Häuser abgerissen werden sollten, kam es in Bochum zu einer der größten Hausbesetzungen in der BRD: 150 Wohnungen in 40 Häusern wurden besetzt. Mit übelsten Kriminalisierungen, Schikanen und schließlich mit brutaler Polizeigewalt wurden die Häuser geräumt und schließlich abgerissen. Nur das Thealozzi blieb stehen.

Die SPD glaubte, dass sie sich einen solchen Kurs leisten könnte – schließlich regierte sie seit Jahrzehnten mit absoluter Mehrheit in Bochum. Einen ersten Dämpfer gab es jedoch, als WAZ-Redakteur Rolf Hartmann in mehreren Artikeln aufdeckte, wie SPD-Ratsmitgliedern Aufträge zugeschanzt worden waren. Ein Bauunternehmer musste sein Ratsmandat niederlegen. Hartmann erhielt 1991 den angesehensten deutschen Journalistenpreis – den Wächterpreis. Wenn Belege jetzt genau aus dieser Zeit vom Landesrechnungshof als verschwunden moniert werden, dann werden viele Erinnerungen wach. Die SPD ging mit ihrer absoluten Mehrheit auch deshalb so selbstherrlich um und meinte, dass sie Aufträge und Abrechnungen nach Gutdünken gestalten konnte, weil sie die CDU mit kleinen Zugeständnissen korrumpiert hatte. Die CDU stellte damals den Kämmerer: Joachim Barbonus. Als Finanzchef der Stadt wusste er über alle Auftragsvergaben und Abrechnungen Bescheid. Er selbst landete schließlich in Untersuchungshaft, weil er ein städtisches Grundstück an sich selbst als Vorsitzender des DRK verkauft hatte und dann der DRK-Geschäftsführerin für den Bau eines Hauses zur Verfügung stellte. Er wurde dafür zwar nicht verurteilt, musste als Kämmerer aber seinen Hut nehmen. Die CDU muss also vorsichtig sein, wenn sie heute die Vorgänge in der damaligen Zeit kritisiert. Auch heute ist sie mit der Stelle der Rechts- und Ordnungsdezernentin in die rot-grüne Rathauspolitik eingebunden. Sie weiß damit, was an der Spitze der Verwaltung diskutiert wird und kann nicht lamentieren, dass sie nichts vom neuen Skandal gewusst habe. Seit Januar ist die Geschichte bekannt und wurde nun geschickt von der CDU als Auftakt für die Kommunalwahl am 30. August inszeniert.
Zurück zum Ausgangspunkt Ende der achtziger Jahre: Auch das Land NRW wurde seit zwei Legislaturperioden von Johannes Rau mit absoluter SPD-Mehrheit regiert, und die Bezirksregierung Arnsberg war ebenfalls fest in sozialdemokratischer Hand. Fragwürdigkeiten bei der Abrechnung von Geldern wurden solidarisch unter den GenossInnen geklärt. Letzteres dürfte bei der Abrechnung der Kosten für den Bau der Westtangente nicht ganz so leicht gewesen sein. Weit mehr als zehn Jahre dauerte es, bis am 8.12.05 der Abrechnungsbescheid erstellt wurde.

Dass die Unregelmäßigkeiten in Bochum jetzt ans Licht kamen, liegt übrigens nicht daran, dass der Landesrechnungshof die Auftragsvergabe und die Abrechnungen der Stadt Bochum gegenüber dem Land NRW untersucht hat. Gegenstand der Überprüfung ist eigentlich die Bezirksregierung unter der Fragestellung, ob sie ihre Kommunalaufsicht bei Abrechnungen ordentlich durchführt. Dies wurde unter anderem am Projekt Westtangente untersucht. Spannend wäre, was alles ans Licht käme, wenn auch andere Großprojekte wie zum Beispiel der U-Bahn-Bau in Bochum durchleuchtet würden.
In der Gründungsphase der Bochumer Grünen mischten viele Aktive aus dem Heusnerviertel mit. Jetzt bildet die Partei seit zwei Legislaturperioden mit der SPD in Bochum die Ratsmehrheit. Seit 2005 stellen sie mit Manfred Busch den Kämmerer. Er ist seit den ersten Jahren bei den Bochumer Grünen dabei und muss nun nach den Belegen suchen, mit denen der Abriss des Heusnerviertels und der Bau der Westtangente finanziert wurden.

Dieser Beitrag ist in der Medienpartnerschaft mit der bsz entstanden.