Pressespiegel zu der umstrittenen Lesung "‘S IST LEIDER KRIEG"
Dienstag 13.11.07, 10:00 Uhr

Print-WAZ-Artikel vom 13.11.2007 – Kultur


Friedensworte, Kriegsgeschrei

Das Bochumer Friedensplenum attackierte Norbert Lammert und Jürgen Flimm wegen ihrer gemeinsamen Lesung „’s ist leider Krieg“
Von Werner Streletz

Bochum. Als wär’ die Zeit stehengeblieben: Das alternative Programmbuch, das am Sonntag Abend im Kammerfoyer des Schauspielhauses verteilt wurde, sah äußerlich exakt so aus wie die Exemplare, die zu Zeiten von Frank-Patrick Steckel im Umlauf waren. Doch nicht nur beim Programmbuch hatte sich das „Friedensplenum“ vom Bochumer Ex-Intendanten anregen lassen, auch dessen rüden Angriffston hatte es übernommen.

Als „Luzifer der Kultur“ wird ihr Objekt der Abneigung bezeichnet, als „Pate der Todesmaschinen“. Warum diese Attacken wie aus seligen Agit-Prop-Tagen? Bundestagpräsident Norbert Lammert (CDU) und Theatermacher Jürgen Flimm hatten im Schauspielhaus einen Abend mit Texten gegen den Krieg angekündigt, von Gryphius bis Borchert. Das brachte den heute in Berlin lebenden Frank-Patrick Steckel auf die Barrikaden. Er witterte „Heuchelei“, „wenn „Angehörige der kriegtreibenden Bundestagsparteien Texte gegen den Krieg lesen“. Wozu Flimm klar stellte, dass er – anders als Steckel wohl vermutete – „schon vor 20 Jahren“ aus der SPD ausgetreten sei.

Der Bochumer Intendant Elmar Goerden bat vor der Lesung „um respektvollen Umgang miteinander“. Doch das Bochumer Friedensplenum entrollte ein Transparent mit dem Brecht-Vers: „Wenn die Oberen vom Frieden reden, weiß das gemeine Volk, dass es Krieg gibt.“ Nicht sonderlich fair, hat der Stückeschreiber damit im dänischen Exil doch vor Hitler und dem Zweiten Weltkrieg gewarnt. Mit derlei Schaum vor dem Mund tun sich die Friedensbewegten sicher keinen Gefallen. Lammert und Flimm wirkten nervös.

Die Lesung selbst klang, für sich genommen, eindringlich als Appell gegen jedes Kriegsgeschrei. Um eine Brücke zu Norbert Lammert schlagen, rezitierten Lammert und Flimm einen Text von Erich Fried aus dem Programmbuch des Friedensplenums. Doch seltsam: Auch der Vortrag auf der Bühne erinnerte an Antikriegs- Lesungen lang vergangener Dekaden. Als würde gleich „Eve of Destruction“ grollen.

Die anschließende Diskussion wurde vom Friedensplenum dominiert. Wie Lammert zum Krieg stehe, was er sage zur Invasion in den Irak? „Eine antimilitaristische Friedenspolitik habe ich noch nie vertreten“, so der Bundestagspräsident.

Jürgen Flimm beschäftigte derweil eine andere Frage. Mit Entrüstung in der Stimme fragte er in die Runde, was Frank-Patrick Steckel dazu getrieben haben möge, ihn in einem Schreiben als „zweifelhafte Existenz“ zu bezeichnen. Flimm: „Das ist reine Polemik.“ Und überhaupt: „Was ist das für eine Sprache?“

WAZ vom 13.11.2007