Dienstag 17.02.09, 14:00 Uhr
Zweiter Brief von Dr. Ralf Feldmann an den Innenminister

Polizei und NPD in Bochum


Der Bochumer Amtsrichter Dr. Ralf Feldmann hatte im vergangenen Jahr einen Brief an den Innenminister des Landes NRW verfasst. Er befasste sich im Anschluss an die NPD-Demo im Oktober und dem „Heldengedenken“ der NPD in Wattenscheid am Volkstrauertag mit dem Thema NPD und Polizei in Bochum. Der Brief fasste die Diskussion des Bochumer Friedensplenums zu diesem Bereich zusammen. Der Innenminister (IM) hat auf den Brief antworten lassen und ist dabei den entscheidenden Fragen ausgewichen. Der Brief des IM. In einem zweiten Brief erläutert Dr. Feldmann dem Innenminister noch einmal die Fragen, die sich nicht nur er und das Bochumer Friedensplenum stellen: Sehr geehrter Herr Minister, leider geht die von Herrn Rüschenschmidt verfasste Antwort, für die ich danke, am Kern meiner Fragen vorbei. Meine Kritik an der befremdlichen Zurückhaltung der Polizei gegen den durch Volksverhetzung geprägten Aufmarsch der NPD am 25. Oktober in Bochum richtet sich nicht dagegen, dass der Polizeipräsident die Demonstration nicht von vornherein verboten hatte. Die unbeantworteten Fragen seien deshalb noch einmal wiederholt: Reicht es Ihrer Auffassung nach nicht aus, eine Versammlung aufzulösen, wenn in einem Demonstrationszug, für den ein einschlägig vorbestrafter Versammlungsleiter wie der NPD-Landesvorsitzende Cremer verantwortlich ist, über eine weite Strecke ein massiv volksverhetzendes Banner zur Schau gestellt wird? In seiner auch im Internet verbreiteten Hetzrede beschwerte sich einer der Hassprediger darüber, dass das volksverhetzende Transparent bereits ganz am Anfang der Demonstration auf Kritik der Polizei gestoßen sei. Warum durfte es dann gut eine Stunde bis zur Kundgebung mitgeführt werden und wurde erst dann beschlagnahmt? Wenn dies nicht ausreichte, die Versammlung aufzulösen: Wie häufig und wie intensiv müssen einschlägig vorbestrafte Politkriminelle erneut Volksverhetzung begehen, bis sie nicht mehr weitermachen dürfen? Es gibt in Deutschland bekanntlich auch Polizeiführer, die rechtlich begründet und konsequent gegen neonazistische Hetze hart durchgreifen. Findet es demgegenüber in Nordrhein-Westfalen die Billigung des verantwortlichen Ministers, dass die Polizei in Bochum wiederum nach dem Grundsatz entschied: “Bei Volksverhetzung weitermachen !“?
Irritiert zur Kenntnis nehme ich die Einschätzung Ihres Hauses, es sei nicht zu beanstanden, wenn ein Polizeipräsident gegen einen Naziaufmarsch protestierende Bürgerinnen und Bürger in die Nähe von Gulag-Freunden rückt und der Wachleiter am Sitz der NPD-Landeszentrale empfiehlt, am Volkstrauertag das Gedenken der demokratischen Bürgerschaft und das schändliche Heldengedenken der NPD gleichermaßen in belastbarer Demokratie zu tolerieren. Ich finde es nicht fair, eine “angehende Journalistin“ für die Veröffentlichung eines angeblich verkürzten Zitats verantwortlich machen zu wollen. Wer lesen will, wird erkennen, dass sie die abgewogene und überlegte Stellungnahme eines leitenden Polizeibeamten wiedergegeben hat. Ich bin ihr und der WAZ-Lokalredaktion Wattenscheid dankbar dafür, dieses Beispiel politischen Vorverständnisses in der Polizei nicht verschwiegen zu haben. Auch die abwiegelnde Antwort Ihrer Fachabteilung zeigt, wie wichtig das ist.
Worauf es ankommt – und dazu bitte ich um eine klare Antwort: Wird es in Bochum in Zukunft zum vorbereiteten Einsatzkonzept der Polizei gehören, einen Nazi-Hetzzug aufzulösen, wenn er die Schwelle zu strafbarer Volksverhetzung überschreitet? Oder müssen wir dann erneut wie am 25. Oktober und vorher schon anlässlich der Anti-Synagogen-Demonstration ein riesiges Polizeiaufgebot erleben, dem reibungslose Abläufe und grenzenlose Geduld mit neonazistischen Straftätern über alles gehen?
Mit weiterhin besorgten Grüßen
Ralf Feldmann