Donnerstag 02.10.08, 11:00 Uhr

VRR-Vorstand denkt sich neue Argumente gegen das Sozialticket aus


Der Vorstand des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr (VRR) hat an die Städte, Kreise und Verkehrsunternehmen im VRR einen Brief (im Wortlaut) geschrieben, in dem er versucht, Argumente gegen die Einführung des Sozialtickets zu formulieren. „Die Finanzierung des Sozialtickets über den VRR ist systemfremd“, heißt es zu Beginn des Briefes, der mit dem Satz endet: „Ansonsten drohen den Unternehmen und Kommunen unkalkulierbare Risiken.“ Mit diesen Formulierungen sollen Kommunen offensichtlich abgeschreckt werden, ähnlich wie in Dortmund ein Sozialticket einzuführen. Der VRR Vorstand behauptet daher erst einmal: „Dem VRR ist die Finanzierung von gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen des ÖPNV übertragen, und nicht die (Teil-) Finanzierung der Hilfe zum Lebensunterhalt für Hartz-IV-Empfänger u.ä.” Hiermit wird völlig unzulässig der Begriff der “gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung” in einen Widerspruch zur Mobilitätssicherung von Menschen mit geringem Einkommen gebracht. Spätestens seit der Einführung des Schoko-Tickets für SchülerInnen und den damit verbundenen Ausgleichszahlungen des Landes an den VRR ist klar, dass die Aufgaben des VRR erheblich differenzierter sind, als es der VRR-Vorstand darzustellen versucht. Das Schoko-Ticket ist unbestritten ein Erfolgsprojekt des VRR. Es beinhaltet sogar kostenlose Tickets (Nulltarif) für Kinder aus armen Familien. Dieses Beispiel macht deutlich, wie abwegig die Behauptung des VRR-Vorstandes ist: „Die Finanzierung des Sozialtickets über den VRR ist systemfremd.“
Die VRR-Chefs gehen in ihrem Brief aber noch weiter. Sie bauen eine abenteuerliche Argumentationskette auf. Denn selbst, wenn es stimmen würde, dass ein Sozialticket in der bisherigen Logik des VRR nicht vorgesehen sei, wäre es nahe liegend, dies einfach zu ändern. Doch das gehe nicht, behaupten sie in ihrem Brief: „Eine Ergänzung des Finanzierungssystems ist wegen der laufenden Abstimmung mit der EU-Kommission nicht möglich.” Die deutsche Automobilindustrie führt seit Jahren vor, was während einer Abstimmung mit der EU-Kommission alles noch möglich ist. Ein VRR-Vorstand, der das Sozialticket nicht mit aller Gewalt verhindern sondern einführen möchte, hätte längst einige Millionen Euro im europäischen Sozialfonds für ein Modellprojekt locker gemacht.
Einer der Koordinatoren der Bochumer Initiative für ein Sozialticket kommentierte den VVR-Brief folgendermaßen: „Nachdem die Regierenden aller Parteischattierungen seit Jahren davon redeten, dass die öffentlichen Kassen leer seien und insbesondere für soziale Aufgaben kein Geld da sei, dämmert es bei den Verantwortlichen, dass sie sich etwas Neues einfallen lassen müssen. Wenn weltweit plötzlich unvorstellbare Summen öffentlicher Mittel zur Verfügung gestellt werden können, um weiterhin die Gewinne von Spekulanten zu sichern, dann ist die Geschichte mit der öffentlichen Armut nicht mehr glaubhaft transportierbar. Das hat sich auch der Vorstand des Verkehrsverbundes Rhein Ruhr gesagt und nachgedacht, was er denn nun noch gegen die Einführung eines Sozialtickets ins Feld führen kann. Der Brief dokumentiert eine gewisse Hilflosigkeit der Verantwortlichen in ihrem Abwehrkampf gegen das Sozialticket. Gern nehmen wir das Argument auf, dass der VRR nicht Mindererlöse sondern nur Kosten verrechnen kann. Genau dies ist unsere Position. In Dortmund werden von den GegnerInnen des Sozialtickets immer nur die angeblichen Einnahmeverluste angeführt. Wir fordern, dass die tatsächlichen Kosten des Sozialtickets ermittelt und den Einnahmen gegenüber gestellt werden.“