Donnerstag 25.10.07, 14:00 Uhr

Erfolgreiches Mobbster


Heute ist in Bochum Mobbster, das 1. NRW Kinder- und Jugendtheaterfestival gegen Gewalt, zu Ende gegangen. Wenn sich die Bedeutung eines Festivals am Publikumszuspruch messen läßt, hat Mobbster, so schreiben die Veranstalter, genau den Nerv der Zeit getroffen: „1.200 Zuschauer in 12 Vorstellungen, darunter mehrere Schulklassen aus Herne, das bedeutet eine Auslastung von 100%, und für einige der gezeigten Stücke war die Nachfrage sogar so groß, dass die Veranstalter auch Doppelvorstellungen hätten geben können.“ Weiter heißt es: „Aber die Qualität eines Kinder- & Jugendtheaterfestivals, vorallem bei einem mit thematischen Anspruch, entscheidet sich weniger an der Kasse, sondern in den Vorstellungen und den Nachbesprechungen mit dem Publikum. Und auch hier ist Mobbster seinem Anspruch voll gerecht geworden. Die elf gezeigten Kinder- und Jugendstücke befassten sich aus ganz unterschiedlichen Perspektiven für verschiedene Altersgruppen mit der Gewaltproblematik und wurden damit auch der Komplexität des Themas gerecht.
Drei der gezeigten Jugendtheaterstücke nahmen die Perspektive jugendlicher Amokläufer ein und die Qualität dieser Inszenierungen lag darin, ausgehend von dem zunächst reißerischen Aufhänger dem Thema Gewalt und ihre Auslöser in einen ganz alltäglichen und allgemein nachvollziehbaren Kontext zu stellen, ohne die Tat als solches zu entschuldigen. Das Stück „Cabrio“ von Kirschkern und Compes aus Hamburg setzte sich stark mit der Opferperspektive und Schuldfrage auseinander und eröffnete den jugendlichen Zuschauern in seiner Konsequenz eine Ebene der Gewalt, die ihnen vorher so nicht bewußt war.
Besonders spannend war das Gastspiel des Piccolo Theaters aus Cottbus, das mit dem Stück „Amok“ als Forumtheaterinszenierung einen ganz neuen Akzent im Bereich Jugendtheater setzte. Zunächst wurde die Geschichte eines Jugendlichen, der aus verschiedenen äußeren Gründen zum Gewalttäter wird, als einstündiges Theaterstück gespielt. Dann, nach einer kurzen Pause, wurden verschiedene Szenen wieder angespielt, aber diesmal konnte das Publikum aktiv in die Handlung eingreifen und Änderungswünsche vorbringen, die dann von den Akteuren entsprechend umgesetzt wurden und der Geschichte eine neuen Richtung gaben, erstaunlicherweise nicht immer sofort die gewünschte. Besser kann man nicht vermitteln, dass Gewalt immer einen Auslöser hat und es wichtig ist, rechtzeitig sensibel auf seine Mitmenschen zu achten oder sich selbst um Hilfe zu wenden, wenn Probleme auftreten.
Auch die vier Kindertheaterstücke, „Flimmer-Billy“, „Eiskalte Zeiten“, „Stromboli“ und „Willi, Piggi und die Bande“ nahmen das Thema nicht auf die leichte Schulter, sondern zeigten sehr kindgerecht, wo die Gefahren unkontrollierter Gewalt liegen, dass es wichtig ist, sich in bestimmten Situation erwachsene Hilfe zu holen und Mobbing schon sehr früh beginnt. Den Abschluss des Vorstellungsblocks bildete ein Heimspiel der beiden Festivalorganisatoren Birgit Iserloh und Ralf Lambrecht mit dem Jugendtheaterstück „Braune Engel“, das künstlerisch und emotional sehr dicht und nachhaltig aufzeigte, dass Gewalt auch eine ganz klare gesellschaftspolitische Komponente hat.
Dass Theater nicht nur ein probates Mittel ist, für das Thema Gewalt zu sensibilisieren, sondern auch direkte gewaltpräventive Möglichkeiten in sich birgt, hat sich dann in den acht theaterpädagogischen Workshops in der dritten Festivalwoche gezeigt, in denen Jugendliche ihre ganz spezifischen Gewaltsituationen durchspielen und entschärfen konnten. Wie weit Mobbster insgesamt real gewaltpräventiv wirken wird, läßt sich allerdings schlecht erfassen, zumindest nicht statistisch. Aber das Festival hat das Thema Gewalt garantiert in den Horizont der Zuschauer gerückt, viele nachdenklich gemacht, Lösungsansätze für Opfer und Handlungsalternativen für potentielle Täter geboten. Und es hat sich gerade in den Nachbesprechungen und den Workshops gezeigt, dass Kinder- und Jugendliche zwar durch die Medien von Gewalt fasziniert sind, sich aber eigentlich in ihrer Realität grundsätzlich Gewaltfreiheit wünschen und sich bei deren Umsetzung und in Konfliktbewältigungen im Alltag oft alleingelassen fühlen. Als weitere Besonderheit dieses Festivals und weil es vom Publikum überhaupt nicht wahrgenommen werden konnte, sei noch erwähnt, dass das gesamte Festival, vom ersten Entwurf, über die Antragsstellung, Sichtung der eingeladenen Theater, Organisation der Gastspiele, Öffentlichkeitsarbeit, Kartenvorbestellung, komplette Betreuung der 10 Gastvorstellungen, dazu zwei eigene Vorstellungen und acht Workshops von nur zwei Leuten auf die Beine gestellt und realisiert wurde.
Diese Effiziens spricht für die Qualität und Effektivität des Freien Kinder- und Jugendtheaters, das mit großem persönlichen Einsatz und kleinem Personal im Sinne eines uns alle betreffenden Themas viel zu bewegen vermag. Ob es bei dem großen Erfolg und dem großen Interesse an der Thematik ein Nachfolgefestival geben wird, steht noch in den Sternen. Denn dieses Jahr war Mobbster neben der Förderung durch das Jugendamt Bochum und der Falken Bochum hauptsächlich durch die engagierte Förderung aus den Mitteln des Landesministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration im Rahmen des Sonderprogrammes „Jugend und soziale Brennpunkte“ finanzierbar. In der Regel wird aber kein Projekt aus diesen Mitteln mehrmals gefördert, so dass sich für ein Folgefestival in 2008 oder 2009 neue Financiers finden müßten, was im Sinne der Sache natürlich wünschenswert wäre. Für die beiden „Festivalmacher“ Birgit Iserloh und Ralf Lambrecht geht es jedenfalls vom 29.10. bis 22.11 direkt weiter mit dem Schulprogramm in Rahmen der Anne Frank Kultur Wochen 2007, Kinder- und Jugendtheater gegen Rassismus und Gewalt.