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Presseinformation

Bochum, 09.05.2006

Historisch einmalig: Eine ganze Uni demonstriert in Düsseldorf

„So kann das nicht weiter gehen!“

Das gab es bisher noch nie: Am kommenden Dienstag werden nicht nur Studierende oder Landesbeschäftigte gegen die Politik der NRW-Landesregierung demonstrieren. Am 16. Mai machen sich die Angehörigen der Ruhr-Universität Bochum gemeinsam auf den Weg nach Düsseldorf. Von der Erstsemester-Studentin bis zum altgedienten Professor ist die Botschaft klar: Auch wenn CDU und FDP sich Mühe geben, die Kürzungen im Bildungsbereich zu kaschieren – die Unterfinanzierung der Hochschulen hat katastrophale Ausmaße angenommen. Neue Landesgesetze bereiten den weiteren Rückzug des Staates aus der Hochschulfinanzierung vor, während gleichzeitig die demokratische Mitbestimmung und die Flächentarifverträge abgeschafft werden sollen.

Mit dem vor acht Wochen verabschiedeten „Hochschulfinanzierungsgerechtigkeitsgesetz“ will das Land in allgemeine Studiengebühren einsteigen, überlässt die endgültige Einführung aber den Unis selbst. „Die Landesregierung will die Verantwortung für die unsoziale Politik auf uns abwälzen“, sagt der Bochumer Mathematik-Professor Werner Kirsch. „Dabei wissen wir alle genau: Studiengebühren sind keine Lösung zum Stopfen von Haushaltslöchern. Sie spalten die Universität und führen nur dazu, dass sich das Land mittelfristig noch weiter aus der Finanzierung zurückzieht.“ Die einzige Perspektive sei eine ausreichende öffentliche Ausstattung der Uni und ein gerechtes Steuersystem, das die nötigen Einnahmen generiere, so Kirsch weiter.    

Zynische Namen für neue Gesetze

Noch nicht verabschiedet ist das von der Landesregierung geplante „Hochschulfreiheitsgesetz“, das das bisherige NRW-Hochschulgesetz ablösen soll. „Das Land will sich seiner Verantwortung für eine breite und barrierefreie Bildung entziehen, indem es die Hochschulen dem Markt überlässt“, sagt Joachim Beyer. Beyer ist Mitglied im Personalrat der Ruhr-Uni Bochum und der für die Uni zuständige Fachbereichsvorsitzende im ver.di-Bezirk Bochum-Herne. „Dass das ganze 'Freiheitsgesetz' heißen soll, ist reiner Zynismus. Das Gegenteil ist der Fall: Bisher sind die wichtigsten Entscheidungen im Uni-Senat getroffen worden. Der Senat soll jetzt entmachtet werden und ein Gremium, das zur Hälfte mit externen Vertretern aus Wirtschaft und Gesellschaft besetzt ist, soll installiert werden.“ Außerdem drohe weiterer Lohn- und Stellenabbau, weil mit dem Gesetz die Flächentarifverträge zur Disposition stehen. „Der Gipfel ist, dass eine vom Land kaputt gesparte Uni sich zunächst verschulden und dann sogar Insolvenz anmelden kann. Dieses Gesetz darf niemals verabschiedet werden“, so Joachim Beyer weiter.

Unglaubliche Entwicklung

Was sich hier an der Ruhr-Uni entwickelt hat, das hätte ich niemals für möglich gehalten“, sagt Martin Degeling vom AStA der RUB. „Zuerst haben sich Studierende und Beschäftigte in einem bundesweit einmaligen Bündnis gegen Bildungs- und Sozialabbau zusammengeschlossen. Gemeinsam haben wir gegen Studiengebühren und für gerechte Tarifverträge demonstriert. Jetzt stehen wir auch mit den Lehrenden Seite an Seite und senden nach Düsseldorf ein deutliches Signal: So kann das nicht weiter gehen! Wir lassen uns unsere Uni nicht kaputt sparen, und wir wehren uns gemeinsam gegen die neuen verhängnisvollen Landesgesetze.“ Und was am Anfang nur ein Zeichen aus Bochum war, das sorgt inzwischen auch überregional für Aufsehen: „Täglich erreichen uns Unterstützungserklärungen von Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten aus anderen Städten, die am Dienstag mit dabei sein wollen“, so Martin Degeling weiter.

Bildung kaputt gespart

Nach Schätzungen des Rektorats fehlen der Ruhr-Uni Bochum im kommenden Haushaltsjahr zwischen 15 und 24 Millionen Euro, um nur den Status Quo aufrecht zu erhalten – und das, obwohl die Uni auch jetzt schon katastrophal unterfinanziert ist. Seit dem Jahr 1999 sind an der größten Ruhrgebiets-Uni über 200 wissenschaftliche Stellen gestrichen und auch ganze Fachbereiche geschlossen worden. „In den letzten vier Jahren ist unser Institutshaushalt um 50 Prozent gekürzt worden. Dringend benötigte Hilfskraftstunden sowie Neuanschaffungen von Büchern sind seit längerem nicht mehr finanzierbar“, sagt die Bochumer Professorin für Theaterwissenschaft Ulrike Haß. Studiengebühren lehnt sie dennoch ab: „Es ist Quatsch, dass Studiengebühren, die von den sowieso stark unter Zeitdruck stehenden Studierenden erhoben werden sollen, die katastrophale Bildungspolitik der Landesregierung ausgleichen könnten. Gebühren von den ärmsten am gesamten Prozess Beteiligten zu erheben, das verschärft nur die Schieflage in sozialer und generationenpolitscher Hinsicht.“

Informationen:

–     Die Demonstration gegen die Bildungspolitik der NRW-Landesregierung beginnt am Dienstag, den 16. Mai um 11.55 („Fünf vor zwölf“) vor dem Düsseldorfer Hauptbahnhof und führt bis zum Landtag.

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–     Hintergrund-Infos zur Demonstration und zu den vorausgegangenen Protesten finden Sie im Internet unter http://www.protestkomitee.de .

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–     Den Aufruf zur Demo im Wortlaut und die bisherigen UnterstützerInnen finden Sie im Anhang.

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–     Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:

–     1.)    Martin Degeling (AStA der Ruhr-Uni Bochum): Tel. 0234/32-27864

–     Dominik Ruppenthal (AStA der Ruhr-Uni Bochum): Tel. 0234/32-27413

–     2.)    Prof. Dr. Werner Kirsch (Fakultät für Mathematik, Senatsmitglied): Tel. 0234/32-23308

–     3.)    Joachim Beyer (Mitglied im Personalrat der Ruhr-Universität): Tel. 0234/32-27738

–     4.)    Prof. Dr. Ulrike Haß (Institut für Theaterwissenschaft): Tel. 0234/32-28164

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–     JournalistInnen, die gemeinsam mit den Bochumer Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten nach Düsseldorf anreisen wollen, können sich für nähere Absprachen bei Martin Degeling und Dominik Ruppenthal (AStA der RUB) melden.